Alt-Text
jagaball erima Powerschnecke lg-duv



Samstag, 21.07.2012 | von: mw

Stockholm Jubilee Marathon Fotoupdate


Mittwoch, 18.07.2012. Seit einer Stunde wieder in Berlin und voll herrlicher Erinnerungen an ein wunderbares Laufevent will ich versuchen, von meiner Begeisterung euch etwas zu vermitteln. Ich war mit „Reisezeit“ fünf Tage dabei.
Welcome back 14. july 2112 war die letzte Botschaft, mit der sich der Jubiläumsmarathon von 10.510 Aktiven aus 66 Ländern verabschiedete.
Das waren 7.956 Männer und 2.554 Frauen. Von denen kamen 7.209 aus Schweden und 722 aus Deutschland. 659 Teilnehmer waren Finnen und 303 Teilnehmer waren Dänen. Aus den USA kamen 244 Läufer und aus Italien 183. Das Königreich Großbritannien ließ sich mit 172 und Frankreich mit 115 Läufern vertreten. Ich glaube, dass ein großer Teil aller Teilnehmer dieser Botschaft gerne folgen würde, aber allein die Jahreszahl setzt dem schon einmal eine Grenze. Aus weiser Voraussicht lassen wir – Läufer die mit Reisezeit unterwegs waren – schon einmal ein Gruppenfoto hier, mit der Bitte, es zum entsprechenden Zeitpunkt an der Videowand  (wenn es die dann noch geben sollte) zu zeigen. Wer weiß, vielleicht finden die dann Laufenden den Marathon auch so angenehm wie wir ihn empfunden haben.

Die Veranstalter vom Stockholm-Marathon-Club u.a. Thomas Enström (li), Bengt Alfredsson (2.von li).
 
Es war ein einzigartiger, angenehmer, entspannter, friedlicher, hervorragend organisierter Marathon auf einer anspruchsvollen Strecke, die zu 80% der Strecke von 1912 gleich kam. Der Straßenbelag dürfte ein anderer gewesen sein; Erinnern und Gedenken heißt aber nicht Rückbau auf den Zustand von vor 100 Jahren. Und noch zwei weitere Unterschiede gab es zu 1912: An Wasserstellen (1912 soll es eine an der Wende gegeben haben) kamen wir alle 2,5 km vorbei und 25% aller Teilnehmer waren weiblich, was 1912 und noch viele Jahre danach undenkbar war.

Die gesamte Veranstaltung mit Startnummernausgabe am Vortag, mit der Lenkung der Teilnehmer im Vorfeld der Veranstaltung, mit der Post race Party am folgenden Tag verbreitete ein unglaubliches Flair und versetzte uns in die Zeit um 1912. Es war bewundernswert und unglaublich schön wie uns der Veranstalter in eine längst vergangene Zeit zurückversetzte. Ich fühlte mich leicht und beschwingt beim Anschauen der Mode von damals. All die so gekleideten Menschen begleiteten uns an drei wundervollen Tagen.

Es waren meistens die schon betagten und nicht mehr ganz jungen Menschen die in den herrlichen Kleidern von damals steckten. Die Herren mit Fliege und Hut, auch mit Frack, die Damen in langen Kleidern, vornehm mit Spitze besetzt, mit Schnürstiefelletten und Schürzen prägten das Bild. Sie gaben uns die Startnummern, nahmen unser Gepäck in Empfang, standen an den Verpflegungsständen und sorgten dafür, dass es auf der gegenläufigen Strecke nicht zu Zusammenstössen kam. Der Hut weckte Begehrlichkeiten; wir wollten auch so einen haben. Am nächsten Tag gab es ihn zu kaufen, oder man lies sich einen schenken. Mir war letzteres vergönnt. Das Umfeld längs der Strecke präsentierte 1912. So standen Autos und Feuerwehrwagen aus jener Zeit an der Laufstrecke; die Zuschauer waren so gekleidet, Familien zeigten ihren Nachwuchs in der damaligen Kinderwagenmode, ein Chor sang an der Straße – selbstverständlich in der damaligen Mode – die Musiker waren so bekleidet und spielten alte  aber auch mir noch bekannte Märsche. Es lief sich ganz entspannt in diesem Feld.
Um 11:00 Uhr fuhren wir vom Hotel Globen mit dem Bus zum Stadion. Ins Stadion durften wir nicht rein, sondern die ganze Läuferschar hielt sich auf dem Gelände daneben auf. Auf dieser Wiese standen noch die Stände vom Vortag; es gab allerlei zu kaufen und zu kosten. Unsere Garderobe gaben wir auf einem anderen, nicht weit entfernten, Sportplatz ab. An der Gepäckabgabe erhielt jeder einen Plastebeutel, in den er seine Tasche oder Rucksack steckte. Das Gepäck wurde auf freier Wiese nach Nummern geordnet gelagert. Die Läufer sammelten sich und wurden mit Musikklängen zum Start geführt. Der Start erfolgte in fünf zeitlich versetzten Blöcken. Jeder Block wurde gesondert ins Stadion bis zur Startlinie geführt.

Der Startschuss wurde aus 24 Musketen von entsprechend gekleideten Soldaten abgefeuert.  Und los ging die wilde Jagd. Unterwegs zum Wendepunkt (Wendepunktstrecke vom Stockholmer Olympiastadion zum Wendepunkt an der Kirche von Sollentuna) kam mir doch der fürchterliche Gedanke, dass das Ganze Auf und Ab ja auch ein Rückspiel hat. Was hinzu so schön bergab ging, musste auf dem Rückweg ja aufwärts bezwungen werden. Aber alle Bedenken waren umsonst. Der Rückweg war nicht schwerer als der Hinweg. Nachfragen beim Veranstalter nach den Höhenmetern der Laufstrecke  konnten nur wie folgt beantwortet werden: „Wieso Höhenmeter? Ihr lauft doch einen Wendekurs da ergibt Hin- und Rückweg gleich Null“. Da kommt doch die Frage auf: „Wie ist es dann mit Kurven? Hinwärts rechts und rückwärts links ist dann gerade aus“? So einfach ist das! Laufzeit Betreuer Ekki Krause hat sich aber das Streckenprofil geben lassen und will nun die von uns gewünschten Angaben errechnen.
Entspanntes und schönes Laufen auf glatten Wegen. Ich lief an Christian und Christine vorbei, die einen Block eher gestartet waren, René, getroffen zur Startnummernausgabe und ohne Fotoapperat,  konnte ich nicht ausmachen und auch Clubmitglied Christoph Randt  traf ich erst bei der Post race Party. Dafür sah ich nach meinem Zieleinlauf vor mir Peter Winnecke, der heute seinen 1000 Marathon gelaufen war. Sein T-Shirt verriet jedem, der lesen konnte, dass er dies in nur 18 Jahren geschafft hat. Glückwünsche dazu gab es reichlich und von mir auch. Es müssen aber noch mehr 100 MC Mitglieder gelaufen sein, denn vom entgegenkommenden Läuferfeld wurde ich so manches mal mit Namen gerufen. Nur sehen konnte ich diejenigen nicht. Sie waren zu schnell vorbei.
Alle Läufer wurden mit Sekt empfangen, so soll es 1912 auch gewesen sein.
Es gab zwei Finish Möglichkeiten: die klassische von 1912 - 40,075 km oder die heute übliche mit 42,195 km. Ich wählte die heute gültige. Es ist mir nicht gelungen, einen Teilnehmer aus unserer Gruppe zum Marathon zu überreden. Er lief nur die 40,075 km, da sein Oberschenkel meckerte. All mein Reden: „Wer 40km laufen kann, schafft auch 42 km, war umsonst. Auch würde die Frau schon schimpfen, weil er überhaupt läuft und länger laufen als unbedingt notwendig, wollte er nicht riskieren. Ich sagte nur: „Komm mit, wir laufen zusammen bis zum Ende, deine Frau schimpft dann eben 15 min. später mit dir“.
Er kam nicht mit. Wir sahen uns am folgenden Tag. Die Frau war dabei und das Schimpfen war wohl erfunden. 
Viele Verpflegungsstellen, viele weggeworfene Pappbecher. Ein Teil war schon in Auflösung begriffen als ich vom letzten Startblock vorbeikam. Aber was für ein Anblick bot sich auf dem Rückweg. Wo waren die Becher? Am Straßenrand standen gefüllte Müllsäcke, da waren sie drin. Ich sah Helfer beim Zusammenharken der Becher und andere, die mit Riesenschaufeln (im Winter zum Schneeschippen) diese in die Säcke beförderten. Die Straße war sauber, noch ehe der Lauf zu Ende war und alles in Handarbeit!
Zieleinlauf, markierter Weg zum Sportplatz, auf dem das Gepäck lagerte. Zunächst führte der Weg durch aufgeblasene Torbogen hinter denen es die Finisher Shirts (in passender Größe) und einen Verpflegungsbeutel gab. Dann Gepäck fassen und ab zur T-Bahn (in Stockholm heißt die U-Bahn Tunnelbahn). Ein toller Lauftag war zu Ende, ohne Regen, mit etwas Sonne und ein wenig Wind nach dem Wendepunkt. Nach Angaben der Organisation durften alle Läufer das Ziel erreichen, auch die, die mehr als 6 Stunden benötigten.


Besonderheiten am Rand:
Der Ururenkel Yoshiaki Kurado des zur Legende gewordenen Läufers  Shizo Kanaguri der den Marathon von 1912 erst 1967 mit 76 Jahren  nach 54 Jahren, 8 Monaten, 6 Tagen, 32 Minuten und 20,3 Sekunden  beendete (mehr dazu:  Laufzeit  Dezember 2011, Beitrag von Klaus Weidt) war von der Organisation eingeladen und lief das Rennen genauso wie sein Ururgroßvater 1912. Er pausierte bei den Nachkommen der damaligen Gastgeber, trank  Limonade,  lief dann aber weiter ohne zu schlafen.















zwei schwedische Läufer vom Stockholm Marathonclub versuchten die Zeiten des damaligen Siegers McArthur (2:36:54,8) und des damaligen 6. des Schweden Sigfrid Jacobsson (2:43:24,9) zu erreichen. Sie liefen knapp vorbei. Anders Szalkai (2:37:04) posierte etwas zu lange vor der Königsloge und Kent Cleasson (2:43:34) verpasste den Endspurt.




















In Dervock in Irland (Geburtsstadt des McArthur)  finden seit 1984 jährlich Festspiele zu Ehren von MC Arthur statt.  2013 gibt es die 30te Auflage. Diese Teilnahme wäre uns noch möglich. Diese Veranstaltung war ein Meisterwerk der Organisation und werde ich wieder gefragt nach meinem schönsten Marathon brauche ich nicht mehr lange zu überlegen.
Am Sonntag fuhren wir zur Post race Party ins Olympiastadion. Frühmorgens regnete es in Strömen und wir dachten an eine Veranstaltung im geschlossenen Raum. Aber nein! Die Organisatoren vertrauten ihrem wohl mit Petrus geschlossenen Pakt. Zu Beginn der Veranstaltung hörte der Regen auf und die Sonne lies sich blicken. Was für eine wunderschöne Abschlussveranstaltung. Musikdarbietungen auf der Bühne, Auszeichnung der originellsten Kostüme – Mode 1912 – und natürlich Ausgabe von Essen (Menüschalen mit Hähnchen- oder Fischgericht, auch vegetarisch). „Reisezeit“ traf sich danach zur Stadtrundfahrt: Wir waren im Schloss, bestaunten die „Wasa“ im Museum und trödelten durch die Altstadt.  Am Montag konnten wir vom Boot aus einen Teil der 13.000 schwedischen Sommerhäuser bewundern und viele Boote bestaunen, es soll ebenfalls 13.000 in allen Ausführungen davon geben.

Die Auslage in den Läden ist geprägt vom Motiv – ELCH. Elch ist überall, auf Tassen Shirts. Pullovern, Tüchern und auch auf dem TELLER.  Die Schweden essen ihr Wappentier, der Berliner ist Boulette, vielleicht aus Bärenfleisch – ich glaube eher nicht. 10.000 Elche werden jährlich zum Abschuss freigegeben. Sie haben keine natürlichen Feinde und vermehren sich zu stark.  

In dem Sportkomplex Globen gibt es auch eine Sportarena “SkyView“, an deren Außenhaut man mit einer Kugel – ein Außenlift also – senkrecht nach oben fahren kann. Und wer noch Zweifel an der Kugelform der Erde hat,  sollte da einmal hoch fahren.

Die Aussicht die sich einem bietet ist überwältigend. Die Erde liegt wie ein gefüllter Teller vor einem. Am Tellerrand beginnt der Horizont, alles ist rund, davor Häuser, Wälder, Gewässer und was die Landschaft noch so zu bieten hat und der Betrachter steht im Mittelpunkt. An der Ostsee geht dieser Blick nur nach vorne, hier aber kann man ringsum blicken.

Jetzt bin ich wieder am Anfang.

Welcome back 14. juli 2112          

das möchte allzu gerne Euer Sturmvogel


« zurück

Möchtest Du einen Kommentar zu diesem Beitrag schreiben?
Dann logge Dich bitte links in der Navigation ein!
1 Kommentar

Seite 1 von 1 1

Nr. 1   Gunla Eberle schrieb am 22.07.2012 - 23:43 email

Hallo Sigrid,

dein Besuch in meiner Geburtsstadt hat sich demnach gelohnt. Danke für deinen Bericht und die Bilder!

Gunla