Alt-Text
jagaball erima Powerschnecke lg-duv



Dienstag, 21.06.2005 | von: mw

100km-Lauf in Biel

Die Nacht der Nächte Am 17.6. um 22:00 Uhr fiel der Startschuss zum 47. 100-Kilometer-Lauf im Schweizer Ort Biel. Damit nehme ich eine weitere große Herausforderung an, denn diese Veranstaltung ist der Klassiker der Ultramarathonläufe in Europa, der sogar ein eigenes Sportbuch „Einmal im Leben musst Du nach Biel“ gewidmet ist. Am Freitag morgen um 7:00 Uhr per Flugzeug von Hamburg nach Zürich, dort von Hans Drexler abgeholt worden und im Auto noch 90 min nach Biel gefahren. Bei sommerlichen Temperaturen und Sonnenschein wird der Nachmittag im Schatten der Eissporthalle, die auch als Organisationszentrum dient, verbracht, um noch ein bisschen Ruhe vor der schlaflosen Nacht zu bekommen. Hier campen auf einem Sportplatz bereits viele andere Läufer und Begleiter, teilweise schon seit Mittwoch. Und wer nicht schlafen kann, trifft alte und neue Bekannte, denn nach Biel kommen viele „Wiederholungstäter“. Gegen 21:30 betreten wir den Startbereich, die andere Straßenseite ist der Zieleinlauf, den wir hoffentlich alle im Laufe des nächsten Tages wieder sehen werden. Mit einem krachenden Schuss werden die ca. 1.600 Läuferinnen und Läufer auf den 100 Kilometer langen Rundkurs in die Nacht geschickt. Gleich geht es in die Innenstadt von Biel, in der bei angenehmen Temperaturen um die 18 °C viele Passanten mit dem schweizerischem „Hopp-hopp-hopp“ anfeuern. Es herrscht eine fast ausgelassene Volksfest-Stimmung, die sich auch auf das Läuferfeld überträgt. Dann geht es über gesperrte Straßen und Sand-und Feldwege durch die Nacht – ab 23 Uhr ist es dunkel, der Mond tut bei sternenklarem Himmel trotzdem sein bestes, die Wege zu beleuchten. Die Strecke ist mit beleuchteten Hinweisschildern markiert, an kritischen Stellen stehen auch Helfer und fast immer kennt auch ein Mitläufer den Weg. Sogar mitten in der Nacht stehen immer wieder Zuschauergruppen an der Strecke, tw. mitten auf dem Feld, aber natürlich auch in den ca. 15 Ortschaften die passiert werden. Dort scheint es, als wollten die Gaststätten in dieser Nacht gar nicht mehr schließen und die Gäste haben die Stühle und Bänke gedreht und schauen zur Straße und feuern die Läufer an. Auf den meisten Teil der Strecke ist das Restlicht ausreichend, doch an Waldrändern oder auf dem sogenannten Ho-Chi-Min-Pfad (auf einem Damm nach gut 60 km mit Baumwurzeln, hohem Gras, tw. Löcher) ist eine Taschen- oder Stirnlampe dringend notwendig, um zu sehen, wohin man den nächsten Schritt setzt. Hier helfen ausnahmsweise auch nicht die Begleitfahrräder – die bei diesem Lauf gern gesehen sind- mit ihren teilweise sehr aufwendig blinkenden Rücklichtern, an denen man sich als nachfolgender Läufer recht gut orientieren kann. Die Begleiter sind seit dem km 20 dabei und fahren neben dem jeweiligen Läufer her; nur wo die Strecke schmal ist, müssen sie einen Umweg nehmen. Alle 3 bis 8 km sind Verpflegungspunkte aufgebaut, an denen sich die Läufer mit diversen Sportgetränken sowie Bananen und Müsliriegeln versorgen können. Im Gegensatz zu anderen Landschaftsläufen hat man nie das Gefühl allein zu laufen, was aber auch an meiner Strategie liegt, die ersten 20 km mit einer Gruppe ein etwas langsameres Tempo zu laufen. Danach das Tempo erhöht, um auf mein geplantes Bestzeitziel von 10:30 h einen Vorsprung zu erlaufen. Durch die Tempoerhöhung kann ich immer wieder zu voran laufende Läufer und Läuferinnen aufschließen und dann auch überholen, was dann im Einzelfall gar nicht so einfach war, denn neben den Läufern gilt es auch die Begleitfahrräder zu passieren. So wurde der erste Kontrollpunkt nach 38 km bei 3:44 auf Rang 345 passiert. Bei km 60 ist Sagasser dann auf Platz 246 und bei km 80 an 153. Stelle. Bis hier läuft alles prima- in den Beinen ist die gelaufene Strecke zwar spürbar, aber sie sind noch locker. Motivierend sind auch immer wieder die erfrischenden Dunstschwaden, die von den Wiesen über die Wege schweben Um 4:00 Uhr morgens beginnt die Morgendämmerung und ab 4:45 ist es wieder hell. Zum Glück sind die Temperaturen noch nächtlich angenehm. Eine Steigung bei km 80 mit knapp 100 Höhenmetern spüre ich auf einmal die rechte Wade, in der sich ein Krampf anbahnt; da hilft nur Tempo etwas rausnehmen und an der nächsten Verpflegung Magnesium zuführen. Das hilft sogar – zumindest mental. Denn ich kann weiterlaufen und nun geht’s tw. in einer kleinen Gruppe von 3 bis 6 Läufern, tw. auch allein in Richtung Ziel. Jetzt fühlt man auch, dass der Tag sehr warm und sonnig wird, so dass bei 20 bis 22°C lieber im Schatten der Bäume gelaufen wird. Beim Anstieg in ein Wäldchen läuft man parallel zur Autobahn, auf der gestern angereist wurde. Nun kommen auch die Außenbereiche von Biel in Sicht, gleich danach die Eissporthalle. Vorbei am Sportplatz mit den Zelten, noch einmal rechts abgebogen auf die Zielgerade und dann überspringe ich nach 9 Stunden und 32 Minuten als 136. (von 1.509 Finishern) jubelnd die Ziellinie. Euphorisiert von meiner Leistung, das eigene Optimal-Ziel um fast eine Stunde unterbieten zu können, spüre ich kaum die Erschöpfung und Anstrengung, gerade 100 Kilometer mit einem Durchschnitt von 10,5 Stundenkilometern oder 5:44 Minuten je Kilometer gelaufen zu sein. Nach dem Empfang der Medaille und des Erinnerungs-T-Shirts geht es weiter mit einer heißen Dusche und danach zur Massage, wo beim Warten der Gedanke gefasst wird, ob man wirklich nur einmal im Leben nach Biel muss. Frisch gestärkt werden noch viele andere (u.a. Jürgen Kuhlmey) Läufer beim Zieleinlauf bejubelt, jetzt schon bei sommerlichen Temperaturen von 25°C und strahlendem Sonnenschein. Am Nachmittag geht’s wieder mit dem Auto zurück nach Zürich und von dort im Flieger weiter nach Hamburg. Um 22:00 Uhr endet das Abenteuer Biel in Henstedt-Ulzburg mit einer Schwarzwälderkirschtorte und dem jubelnden Empfang durch Doris - und durch die Mädchen am nächsten Morgen.

Mario S.
« zurück

Möchtest Du einen Kommentar zu diesem Beitrag schreiben?
Dann logge Dich bitte links in der Navigation ein!