Dr. Sebastian Roth beim Mayon360 Ultramarathon
- Das TOP-ULTRA-LAUFEVENT auf den Philippinen um den aktiven Vulkan Mayon -

Die Zahl 360 verrät, dass im Sinne einer Kompasszahl eine Umrundung vorgesehen war. 13 Tage nach meinem Ultramarathon um die Insel Camiguin („The Island born in Fire“) war ich mir nicht sicher, ob ich die ebenfalls angebotene Strecke von 160 Kilometern unter meine Sohlen nehmen sollte. Ich entschied mich dann aber für die 80 Kilometer. Ausschlaggebend war vor allem, dass für die 160 Kilometer ein Begleitfahrzeug vorgeschrieben war und für die 160 Kilometer keine Verpflegungsstellen bereitgestellt wurden. Im Nachhinein bedauere ich dies, da ein Lauf durch diese „360 Degrees Extreme Experience Zone“, so wie sich die Region selbst beschreibt, trotz der Hitze, für mich durchaus noch etwas länger hätte dauern können. Denn im Rahmen des 5. Mayon360 wurden eben erstmals auch 100 Meilen ausgetragen. Es waren einundvierzig 100-Meilen-LäuferInnen, welche am Freitag, den 10.04.2015, früh morgens um 02:00 Uhr, starteten. Alle 100-Meilen-LäuferInnen, welche das Ziel erreichten, erhielten den Titel „The King of Mayon“. Ich begnügte mich mit dem Titel „Champion of Mayon“ für die 80 Kilometer.
Die 80 Kilometer beinhalteten, gemessen mit meiner Suunto, 1.001 Höhenmeter (+/-). 26 Stunden nach dem Einlauf der ersten 100-Meilen-LäuferInnen stand ich mit 288 Anderen, von denen immerhin 277 finishten, am Start über die 50 Meilen Distanz. Hinzu kamen 154 Staffelläufer (2 oder 4 Personen-Staffel).
Zwei Stunden vorher war ich bereits im Start/Zielbereich und sah die ersten drei 160-Kilometer-Finisher ins Ziel einlaufen.
Die Sollzeit für die 80 Kilometer betrug 16 Stunden. Das Ziel war, die „3,5 Inch“ zu erhalten, also eine Medaille welche einen Durchmesser von 8,5 Centimetern hat.
Am Vortag erfolgte die Startnummernausgabe. Hinweise über den Umgang mit der zu erwartenden Hitze wurden gegeben, Notfalltelefonnummern benannt. Alle Regeln, deren Missachtung zur Disqualifikation geführt hätten, wurden besprochen. Bereits dort wurde mir klar, dass diese Veranstaltung international absolut mithalten konnte. Da der Cheforganisator ein ehemaliger General der Philippinischen Armee und selber auch Ultralangstreckenläufer ist, konnte ich mich auf einen reibungslosen Ablauf verlassen. Zusätzlich ist die Veranstaltung von der „Philippine Association of Ultrarunners“ zertifiziert. Auch ein „Medical Certificate“ wurde verlangt.

Die Veranstaltung war, so wie in jedem Jahr, Bestandteil des Magayon Festivals. Dieses Festival dauert einen Monat und jeden Tag finden viele, qualitativ hochwertige und kulturell anspruchsvolle Veranstaltungen statt (von Blasmusik, Volkstanz bis zur Techno-Party mit DJ`s zum Beispiel aus San Francisco). Der Startbereich lag somit auch gleich in der Mitte der Stadt Legazpi im Peñaranda Park, in welchem die Bühnen der Festivalveranstaltung platziert waren.

Vor dem Start gab es eine wahrlich feurige Predigt durch einen mitlaufenden Pfarrer, welche gleich mit seiner Startnummer auf der Bühne stand und seine Ansprache mit einem „God be with us“ beendete. Mir fiel 1. Könige 17-19 ein, als Elia 40 Tage und Nächte gekämpft hatte und dann sich hinlegend und völlig entkräftet sagte „Es ist genug, Gott, so nimm nun meine Seele“. Dann kam ein Engel zu ihm und gab ihm zu essen und damit neue Kraft, damit er seinen Weg weitergehen konnte. So ein Ultramarathon kann auch das Symbol für den eigenen Berufungsweg sein.
Doch danach wurde es still. Die LäuferInnen legten Ihre Hand zur Brust denn die Philippinische Nationalhymne wurde gespielt. Es war ergreifend.

Der Vulkan Mayon, welcher seit 1616 mehr als 50 Mal ausgebrochen ist, liegt 330 Kilometer südöstlich der Hauptstadt Manila und ist einer der gefährlichsten Vulkane weltweit. 2013 sind bei dem Ausbruch des 2.462 Meter hohen Vulkans Mayon 4 Deutsche ums Leben gekommen als sie beim Abstieg waren. Der Vulkan, welcher Bestandteil des sogenannten Pazifischen Feuerrings ist, schleuderte damals Gesteinsbrocken ins Tal die so groß wie Autos waren. 60.000 Menschen leben in der unmittelbaren Gefahrenzone. Inzwischen hat die Regierung ein Gesetz erlassen, nachdem eine Besteigung, je nachdem bis zu welcher Höhe oder welchem Camp, zwischen 10 und 50.000 Peso, also maximal 1.000 Euro, kostet.

Der Mayon ist legendenumwogen. Demnach wird erzählt, dass in der Region früher eine schöne Prinzessin gelebt habe welche jedoch einen schnell zornig werdenden Onkel hatte. Dieser Onkel namens Magayon behütete diese Prinzessin so, dass sich lange Zeit kein Mann traute, um die Hand dieser Prinzessin anzuhalten. Doch dann kam doch ein tapferer Krieger, welcher in den Palast eindrang und die Prinzessin entführte. Magayon, sehr wütend, verfolgte wohl die Flüchtenden. Doch da geschah ein Wunder denn Magayon wurde unter den Steinen eines Erdrutsches begraben. Die Einheimischen interperetieren die Eruptionen so, dass Magayon immer noch nicht über den Verlust der Prinzessin hinweggekommen ist und sich ab und zu sozusagen „im Grabe herumdreht“.

Wie so oft startete ich am Ende des Starterfeldes. Danach sondierte ich meine Verfassung und passte mich schrittweise an die Verhältnisse an. Während der ersten 20 Kilometer war es noch dunkel aber eine Kopflampe war nicht notwendig. Für diese ersten 20 Kilometer war der Wasserrucksack gut. Der Veranstalter hatte dann aber später eine ausreichende Anzahl von Verpflegungsstellen mit differenziertem Angebot, gegen Ende sogar alle 2,5 Kilometer, platziert. Zusätzlich gab es mobile Wasserstationen auf den Pickup-Jeeps. Erstmals erlebte ich wie einfach eine Wasserdusche ermöglicht werden kann. Ein Holzstock, an dessen Ende ein Plastikeimer befestigt war. Im Plastikkanister waren Löcher eingebohrt und fertig war die Wasserdusche.

Nach ca. 30 Kilometern durchlief ich ein Dorf in welchem die Einwohner eigene Wasserstände aufgebaut hatten. Da war dann vor dem Haus ein Stuhl aufgestellt und ein Eimer mit einer Schöpfkelle lag darin. Ich sah das Eis im Wasser schwimmen. Es war eine willkommene und absolut notwendige Erfrischung. Darüber hinaus reichten Einwohner den Läufern Bananen. In diesem Zusammenhang ist erneut die umfassende Herzlichkeit der Menschen auf den Philippinen zu erwähnen. Allerdings hatte ich bis zum Mayon360 noch keinen Lauf auf den Philippinen erlebt bei welchem die Einwohner der Region den LäuferInnen so besonders herzlich zugewandt waren. Auch hier wurde wieder aus den Autos gewunken und gehupt. Selbst bei meiner Abreise am Flughafen, ich hatte mein Finisher-Shirt an, waren die Polizisten begeistert.
Dies war für mich auch das eigentliche Lauferlebnis. Die Menschen und die unglaubliche Aussicht auf den Vulkan Mayon. Wobei ich zwischenzeitlich dachte, dass ich halluziniere. Denn plötzlich sah ich links und rechts jeweils einen Vulkan. Doch ich fragte einen Mitstreiter und er sagte mir, dass es linksliegend der Mount Masaraga (1.328 Meter) sei. Ich lief also zwischen zwei Vulkanen hindurch. Dann erreichte ich, nach Kilometer 45, Tabaco City. Direkt neben der Straße liegt dort die uralte, von den Franziskanern im Jahre 1616 erbaute Saint John the Baptist Parish Church. Sie ist als kulturelles Erbe der Philippinen deklariert.

Insgesamt waren 10 Städte und 77 soganannte Barangays zu durchlaufen. Ein Barangay ist die unterste Ebene in der Verwaltungsstruktur auf den Philippinen, welchers gleichwohl ein Stadtteil oder auch ein Dorf sein kann.
Bei Kilometer 45 konnte ich meine Schuhe wechseln. Eine Sportmassage wurde mir angeboten doch ich wollte meine Zeit unter der Sonnenexposition möglichst gering halten und lehnte dankend ab. Denn der UV-Index war an diesem Tag bei 12. Und dies bei einer Skala die bis 13 geht. Mehr als 11 wird als „extrem“ definiert und ein Aufenthalt im Freien sollte möglichst vermieden werden. Zum Vergleich: Berlin hat im Juni und Juli einen maximalen UV-Index von 7.


Bei cirka KM 50 war eine längere Passage, in welcher nicht nur mit der Hitze sondern auch mit dem Gegenverkehr zu kämpfen war. Dies erforderte äußerste Konzentration.

Das Einlaufen in die Stadt Legazpi war einer der befriedigstenden Momente meines Läuferlebens und nachdem ich als 39. ins Ziel eingelaufen war gab es ein Finisher-Shirt, die angekündigte Medaille und was am Schönsten ist, einen Pokal, gepresst aus der Asche der letzten Eruption des Vulkans Mayon.      

Der Mayon Ultramarathon war für mich das absoute Top-Ereignis auf den Philippinen mit der höchsten Anzahl an Ultra-Startern und der professionellsten Organisation. Die bisherige Siegerzeit von 6:01:09 unterbot der Kenianer Eliud Kering mit einer einer der Realität trotzenden Traumzeit von 5:36:44 Stunden. Ich lernte ihn dann später als Gentleman und herausragenden Sportler kennen. Nach der Siegerehrung setze er sich in den Bus für die 12 stündige Rückfahrt nach Manila. Der jüngste Teilnehmer, welcher die 80 Kilometer erfolgreich absolvierte war 16 Jahre alt. In Erinnerung wird mit die unbeschreibliche Herzlichkeit der Menschen entlang der Strecke, die engagierten HelferInnen sowie die tolle Kameradschaft der LäuferInnen bleiben. Mayon Three Sixty war mit Sicherheit einer der schönsten Ultraläufe in meiner Laufvita. Mit diesem 30. Ultramarathon hatte ich dann auch exakt 2.500 Kilometer absolviert wie ich der Statistik der Deutschen Ultramarathon Vereinigung entnehmen konnte.

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