Vielleicht erinnert sich der ein oder andere noch an meinen Bericht vom Pisa Marathon im Mai. Ich hatte damals auch Livorno erwähnt, das man beim Landeanflug auf Pisa überfliegt und dass es dort im November einen Marathonlauf gibt.
Nun, geplant hatte ich den für dieses Jahr eigentlich nicht, aber Gerd-Rudi Papcke ließ nicht locker und überredete mich schließlich, mit ihm diese Kurzreise zu machen.

73 Euro pro Nase für die Flüge stellen tatsächlich eine Alternative zu den in dieser Jahrszeit hierzulande wenigen Marathons mit entsprechend auch nicht preiswerter Anreise dar. Leider erlitt Gerd-Rudi Anfang Oktober einen Bandscheibenvorfall und wurde vergangene Woche operiert. Nach der Reha wird er hoffentlich bald wieder mit uns laufen können.

Als am Samstag, 10. November auch noch der erste Schnee in Stuttgart fällt, richtiges Schmuddelwetter also, war ich richtig froh, dem noch mal ausweichen zu können und flog alleine nach Pisa.
Nur mit Rucksackgepäck kommt man in knapp 20 Minuten vom Flughafen in Pisa bequem zu Fuß zum Bahnhof. Strahlender Sonnenschein und Temperaturen um 14°C laden geradezu ein zu diesem kleinen Bummel. Vom Bahnhof aus fahren stündlich mehrere Züge nach Livorno, das man in nur 16 Minuten erreicht. Die 1,70 Euro pro Strecke fallen bei den Reisekosten kaum ins Gewicht. Überhaupt ist Pisa ein Flughafen für gleich mehrere Marathons, denn vom Flughafen aus gibt es für nur 8 Euro einfache Fahrt einen Bus nach Florenz, gut 70 Minuten Fahrzeit entfernt.
Livorno empfängt den Bahnreisenden mit einem schmucken Bahnhofsgebäude und einem Vorplatz mit Palmengarten.
Zur Startnummernausgabe in einer Halle beim Sportplatz in der Via dei Pensieri fährt man vom Bahnhof aus mit der Buslinie 1 oder 1R in rund 15 Minuten zwar nicht bis direkt vor den Eingang, aber von einer der Haltestellen in der Viale Italia sind es nur wenige hundert Meter bis dorthin. Der Sportplatz liegt gleich hinter dem Stadion, dessen Flutlichtstrahler man schon von weitem sieht.

Die 35 Euro Startgebühr (inkl. 10 Euro Kaution für den Chip, die man nach dem Lauf zurück bekommt), beinhalten ein T-Shirt und die Teilnahme an der Pasta Party. Die ersten 1000 Gemeldeten erhalten zusätzlich einen Sportartikel, der sich als praktisches Langarmfunktionsshirt mit dem Logo der Veranstaltung erwies. In der Halle befindet sich auch eine, allerdings kleine, Marathonmesse. Zur Unterhaltung gab es eine kurze Showeinlage einer jugendlichen Judogruppe.
Ein Hinweisschild auf der Straße weist zum „Low Cost“ Hotel Atleti, das rund 400 Meter vom Ziel entfernt sehr günstig gelegen ist. Ich hatte dieses Hotel schon vorab via Internet gebucht. 90 Euro für das Doppel- und 70 Euro pro Nacht für das Einzelzimmer sind zwar nicht wirklich billig, aber immerhin gibt es inbegriffen ein einfaches Frühstücksbüffet schon ab 6:15 Uhr am Lauftag.

Wo die Pastaparty stattfindet, war mir nicht klar, denn die kleine Halle bot dazu keine Möglichkeit. Seltsamer Weise wussten die Helfer bei der Startnummernausgabe erst auch nicht Bescheid, aber letztendlich wurde mir geholfen und der Ort auf einem der ausliegenden Stadtpläne markiert. Es soll auch ein Bus von hier dorthin fahren, wurde mir zu verstehen gegeben, doch darauf wollte ich mich lieber nicht verlassen. Hinter dem Eingang Circolo A.R.C.I. in der Via S. Jacopo Acquaviva befindet sich hinten links eine kleine Halle, in der kurz nach 20:00 Uhr die Pastaparty so langsam los ging.
Die Nudeln waren nichts besonderes, aber es gab Salat und dünnes Fleisch in Öl dazu und auf den Tischen standen große Wasser-, aber auch Weiß- und Rotweinflaschen. Also alles in allem ganz in Ordnung.

Am Sonntag morgen ging ich zeitig wieder zur Halle am Sportplatz, da ich nicht wusste, wo genau gestartet wird. Zunächst standen die Läufer am Parkplatz und in bzw. vor der Halle, bis sie sich so langsam in eine Richtung in Bewegung setzten. Ich folgte der Masse. Es ging hinunter auf die Hauptstraße Viale Italia und schließlich sammelten sich die Läuferinnen und Läufer vor den verschlossenen Toren der Marineakademie „Accademia Navale“. Kaum fünf Minuten vor der geplanten Startzeit um 9:00 Uhr öffneten sich erst die Tore und die Läufer trabten hinein. Tatsächlich wurde vom Inneren dieser Akademie heraus gestartet und kaum war ich an Ort und Stelle, ging es auch schon los.

Die Strecke biegt zunächst nach links auf die Hauptstraße ab und führt dann vorbei an der Uferpromenade und an der schön angelegten Meeresterasse „Terrazza Mascagni“ins Zentrum von Livorno.
Livorno hat im 2. Weltkrieg einen großen Teil seiner historischen Bausubstanz verloren, dennoch ist die unter den Medici errichtete Stadtanlage noch gut zu erkennen. Weiterhin sind Gebäude der Belle Epoque erhalten, vor allem Villen an der Uferpromenade Viale Italia in den südlichen Stadtteilen Ardenza und Antignano. 
„Duomo San Francesco di Assisi“, der Dom von Livorno, liegt im Zentrum der Altstadt an der Piazza Grande. Er wurde 1594-1606 von Bernardo Buontalenti und Alessandro Pieroni errichtet und im 18. Jahrhundert erweitert. Nach Zerstörungen im 2. Weltkrieg wurde der Dom nach Originalplänen wieder aufgebaut. 

Wir laufen um die Piazza della Repubblica, die von den sich gegenüberstehenden Standbildern von Ferdinand III. und Leopold II. geprägt wird. Es geht dann vorbei an der neuen Festungsanlage „Fortezza Nuova“, deren mächtige Mauern vom „Fosso Reale“ umschlossen sind, einem breiten Wassergraben, der auch heute noch die fünfeckige Altstadt umgibt. Dieses Bollwerk wurde zwischen 1590 und 1600 geschaffen und dient heute Einwohnern und Touristen als Grünanlage.
Das im Laufe des 17. Jahrhunderts errichtete charakteristische Viertel „Venezia Nuova“ zeigt auch heute noch seine ursprüngliche Anlage. Besonders eindrucksvoll sind die Medici-Kanäle, ein dichtes Geflecht aus befahrbaren Wasserstraßen, welche die Lagergebäude mit den Wohnhäusern der Händler verbanden.

Bei km 8 erreichen wir den Hafen. Das ehemalige Fischerdorf, über das sich der Festungsturm aus der Zeit der Gräfin Matilde von Canossa erhebt, wird aufgrund der Militär- und Handelsstrategien der Medici schnell zu einem der wichtigsten Mittelmeerhäfen.
Livorno ist Sitz der angesehenen Marineakademie, die seit über einem Jahrhundert Offiziere der italienischen Marine ausbildet. Bei km 12 erreichen wir wieder diesen Startpunkt des Marathons und laufen ein Stück durch das Gelände, Die Offiziersanwärter stehen den Läufern Spalier.
Die Militärkapelle macht Stimmung mit ihrer guten Musik, dann umlaufen wir eine in das Gelände gebaute Segelschiffattrappe.

Wir laufen wieder hinaus und jetzt auf der Viale Italia in die andere Richtung. Dabei geht es zunächst vorbei an Häusern, die mit ihren Türmchen sehr interessant und reizvoll aussehen.
Es schließt sich die Galopprennbahn Ippodromo Caprilli an, auf der tatsächlich am Nachmittag des Lauftages Pferderennen ausgetragen wurden. Eine gute Gelegenheit, dort mal hinzugehen, gleich um die Ecke meines Hotels Atleti, die ich am späten Nachmittag auch wahrgenommen habe.
Auf diesem Streckenabschnitt pfeift uns für gut einen Kilometer der Wind entgegen. Die Teilnehmer des Halbmarathons laufen dieses Stück zum Glück nur einmal.
Entsprechendes Tempo legen diese Läuferinnen und Läufer vor, die mir teilweise sehr sommerlich bekleidet oder gar barfuss wenig später entgegen kommen. Sie haben nur noch wenige km bis zum Ziel.

Für mich geht es erst noch bis kurz nach km 16 zum Wendepunkt. Die Marathonläufer müssen diesen Streckenteil noch ein zweites und drittes Mal laufen, die letzten beiden Male noch rund 500 Meter weiter. Es geht hier teilweise auch sehr reizvoll am Meer entlang, doch Vorsicht: dieser Streckenteil ist auch leicht wellig. 
Die ersten beiden Male ist dieser Abschnitt auch deswegen interessant, weil man die andern Läufer, sei es im vorderen oder hinteren Feld, hier immer wieder zu sehen bekommt, so auch  die Marathon Spitzenläufer bei den Herren und Damen.
Beim letzten Mal wird es hier aber einsam. Läufer der Preisklasse um die 4:30 Stunden kann man fast an einer Hand abzählen und als ich km 37 erreiche, werden bereits die Hütchen in der Straßenmitte, die ja die Laufstrecke in den Hin- und Rückteil bis zum Wendepunkt trennt, abgebaut und die Strecke wieder für den Verkehr freigegeben. Wir übrig gebliebenen Läufer sollen den Rest auf dem Gehweg laufen, wird uns gedeutet. Doch dort läuft es sich nicht gut und der wenige Verkehr ist keine echte Gefahr, also gehe ich zurück auf die Straße. Die Verpflegungsstellen sind zum Glück noch nicht abgebaut. Sie befinden sich alle 5 km auf der Strecke. Es gibt Wasser, Iso, Tee und in Plastik verpackte große Kekse. Dazwischen gibt es noch Stationen mit Wasserwannen und Schwämmen zur evtl. Abkühlung.
Der Zieleinlauf erfordert noch eine dreiviertel Runde auf der Tartanbahn des Sportplatzes. Die Zielverpflegung auf dem daneben liegenden Parkplatz hat aber nur noch ein paar Croissants zu bieten. In der Halle erhalte ich gegen Chiprückgabe die 10 Euro zurück. Nach der Medaille musste ich dort aber fragen, erhielt daraufhin aber eine nicht gerade große, dafür aber bunte, Medaille in einer kleinen Plastikdose. In der Ergebnisliste, die nicht ausgehängt wurde und erst zwei Tage später im Internet abrufbar war, fand ich insgesamt nur 199 Marathonfinisher. Hinter mir nur noch 8 weitere Teilnehmer. 4:59:08 netto wurden für den letzten vermerkt. Über ein Zeitlimit hatte ich allerdings nichts gelesen. Mit meinen 4:33:43 war ich übrigens der einzige deutsche Marathonteilnehmer.

Viele Grüße
Worldrunner Michael Weber