Thomas G.s Anruf erreichte mich auf dem Pariser Flughafen Charles de Gaulle als wir auf unseren Weiterflug nach New York City zum Aruba-Marathon warteten. Thomas sagte, er könne meinen Iran-Aufnäher nicht im Juli in Afrika übernehmen. Ich beruhigte ihn, da die Übergabe erst im August geplant wäre. Problem gelöst. Nun fragte ich, wo er denn nach den beiden Afrika-Reisen starten würde, antwortete er: „In der Mongolei.“ Boah, das wäre ein Kracher. Meine Frage, ob es die einwöchige Tour mit Steppenübernachtung in der Jurte und Reiten wäre, verneinte er, da es ein Stadtmarathon in Ulaanbaatar wäre. Und es gäbe ein sehr moderates Zeitlimit, damit „alle ins Ziel kommen“.
Ich buchte noch am Flughafen ein Hotel in der Nähe von seiner Unterkunft und auf dem Rückweg von Aruba beim Zwischenstopp auf dem Amsterdamer Flughafen meldeten wir uns beim Veranstalter für den Lauf an.
Zuhause wurden die Flüge gebucht, allerdings mit Zwischenstopp in Istanbul, nicht wie Thomas per Direktflug von Frankfurt mit der mongolischen Fluggesellschaft. In der Zwischenzeit bis zur Reise meldeten sich noch 2 Läufer aus Süddeutschland und eine Amerikanerin aus der Marathonländersammler-Community, die ebenfalls nach Ulan Bator kommen wollten. Cool, 6 internationale Starter sind schon eine Menge. Dafür, dass es am Ende 83 Marathonfinisher waren.
Thomas buchte vorab noch einen privaten Ausflug, so dass alles vorbereitet war. Allerdings machte uns die Wettervorhersage etwas Sorgen, denn es waren morgens bereits um die 0°C angekündigt. Was will man erwarten, wenn man die kälteste Hauptstadt der Welt mit einer Durchschnittstemperatur von -2°C bereist. Also zur Sicherheit Handschuhe, Mütze, lange Laufhose und Laufweste ins Gepäck. Am Vortag  bereitete das Einchecken bei Turkish Airlines Probleme, da es bei mir klappte, dafür bei Doris nicht. Da konnte auch die Hotline der Fluggesellschaft nicht helfen. Bei weiteren Versuchen tauchten auf einmal sogar 4 weitere Sitzreihen auf. Merkwürdig. Egal, am nächsten Morgen eine Stunde früher zum Flughafen und am Schalter einchecken – und nach Istanbul fliegen. Vor unserem Abflug startete in Hamburg eine sehr dezent in grau lackierte Boeing, die auf Flightradar nicht angezeigt wurde. Erst als sie die Elbe passiert hatte und weiter nach Südengland für 10 Testrunden flog: ein Tankflugzeug der US Airforce. Und das, obwohl in Hamburg gerade Kerosinmangel herrschte. Unser Weiterflug von Istanbul nach Ulan Bator war in unserem Kabinenbereich sehr dünn besetzt, dafür hatten wir die mongolische Ringernationalmannschaft an Bord. Nach der Landung und unkomplizierter Einreise, da man für touristische Reisen kein Visum benötigt, fuhren wir per Taxi in unser Hostel. Dort wartete schon Thomas auf uns, der 2 Stunden vorher angekommen war. Das Hostel hieß Gobi-Girl. Der Name ist Programm, denn die Eigentümerin, bei der wir eincheckten, ist eine Tourführerin, die Touristen durch die Steppe begleitet. In der Folgewoche wird sie wieder eine Gruppe begleiten. Da wir die einzigen Gäste im Gobi-Girl waren, war es eher ein AirBnB-Aufenthalt. Sehr schön. Nach einem Kaffee machten wir uns auf zur Startnummernabholung zum Parlamentsgebäude, vor dem Statuen von Dschingis Khan, sowie Sohn und Enkel Kublai Khan wachen. Die Startunterlagenabholung klappte gut. Man sprach Englisch und die vorreservierten Startnummen waren bereit und es gab ein Funktionsshirt. Alles für umgerechnet 15 EUR.
Thomas ging gleich zurück in sein Hotel, um Schlaf nachzuholen, und wir gingen ins Naturkundemuseum, in dem diverse Exponate von Dinosaurierknochen ausgestellt sind, die in der Mongolei gefunden wurden. Sehr eindrucksvoll, für 4 EUR Eintrittsgeld pro Person. Nach einem kombinierten Mittag/Abendessen bei einer bekannten  Fastfood-Kette kauften wir Proviant für den Ausflug am Folgetag. Dann ging es auch für uns früh ins Bett: Schlaf nachholen.
Am nächsten Morgen wanderten wir 10 min zu Thomas‘ Hotel, in dem abends auch die Amerikanerin Deborah angekommen war. Hier war die Abholung durch unseren Tourführer vereinbart. Wie bereits am Vortag auf unserer Fahrt vom Flughafen zum Hostel erstickte die Stadt im Autoverkehr: überall Staus. (Was für die Fußgänger die unangenehme Folge hat, dass Fahrräder, E-Fahrräder und E-Roller auf dem Bürgersteig fahren, um die Staus auf der Straße zu umgehen.) Unser Tourguide kam also 45 Minuten verspätet und kämpfte sich mit uns durch den  Stau in östliche Richtung zum Reiterdenkmal von Dschingis Khan. Gut 30 Meter hoch, lt. Überlieferung an der Stelle erbaut, an der er eine Reitgerte gefunden hatte – was Glück bringen soll. Im Erdgeschoss und Keller gabs etwas Geschichte vom größten jemals existenten Reich der Mongolen von der chinesischen Küste bis zur Ostsee und Adria. Da auch damals Informationen sehr wichtig waren, hätten die Mongolen 30% ihres Budget für Poststationen investiert. Alle 60 bis 80 km gab es eine Station, an der der Kurierreiter sein Pferd wechseln konnte. Der Wechsel dauerte 2 bis 3 Minuten. Nach dem Aufstieg auf das Denkmal mit Blick in die Steppe, ließen wir Bogenschießen, Kamelreiten und Adlertragen aus. Dafür gings zum Mittagessen, bei dem sogar eine vegetarische Platte gereicht wurde: sehr lecker! Nachmittags gings weiter in einen Naturpark, mit interessanten Felsformationen und Bäumen und Pflanzen in herbstlichen Farben.  Dort war auch ein buddhistischer Tempel, zu dem einige Höhenmeter zu bewältigen waren. Nach der Rückkehr in die Stadt, bei der der morgendliche Stau zum Glück deutlich kürzer war und bei dem wir den Park, in dem am nächsten Tag eine Teilstrecke zu laufen war, sehen konnten. Wir kauften uns noch Essbares und gingen wieder früh ins Bett. Wir mussten mit geschlossenem Fenster schlafen. Denn trotzdessen wir im 12. Stock wohnten, hörten wir den Lärm der Nachtbaustelle vor unserem Hostel sehr deutlich. Die Straße wurde aufgerissen, um Rohre mit 1 m-Durchmesser zu verlegen. (Mal so als Rückmeldung, weil in Deutschland häufig gefordert wird, dass auf den  Baustellen auch nachts gearbeitet werden solle.)

Aufgrund der Tagestemperaturen und Sonnenschein entschieden wir in kurzer Kleidung zu laufen, aber warm eingepackt zum Start zu gehen. Am Samstag holten wir Deborah und Thomas wieder in ihrem Hotel ab, wo sie noch frühstückten und bekamen sofort auch einen Frühstücksteller angeboten: sehr gastfreundlich. Im Park mit Start- und Zielbereich angekommen, herrschte schon geschäftiges Treiben. Die Laufkollegen Jürgen und Ron aus Süddeutschland trafen wir nun auch, gaben die Kleiderbeutel ab und machten die obligatorischen Fotos. Wir internationalen Starter wurden gesondert vom Veranstaltungssprecher begrüßt und bekamen Applaus von den Mitläufern. Etwas verzögert erfolgte der Startschluss für uns Marathonis; die anderen Distanzen folgten 2 Stunden später. Nach 100 Metern waren wir aus dem Park raus und liefen auf der abgesperrten vierspurigen Straße nach Osten der Sonne entgegen und mit eisigem Gegenwind. Es bildeten sich Gruppen, um im Windschatten zu laufen. Nach 7 Kilometern ein scharfer Knick, danach gings im Park gen Wendepunkt bis km 10,5. Dann wieder gegen den Wind zurück. Alle 2.5 km war ein Verpflegungszelt in dem es Wasser gab, anfangs auch stark verdünntes Iso-Getränk. Nachdem die erste Runde geschafft war, hatte der Wind nachgelassen und es wurde wärmer. Leider hatten nun auch nicht mehr alle Stationen Wasser, so dass man haushalten musste. Nach wärmebedingtem Einbruch auf der zweiten Hälfte erreichte ich dann doch noch das Ziel und mir wurde mitgeteilt, dass ich meine Altersgruppe gewonnen hätte. Deshalb würde ich auf der Bühne geehrt und bekäme jetzt erst einmal keine Medaille. Wann die Siegerehrung stattfinden solle, konnte aber keiner sagen. Am Ende vergingen 4 Stunden zwischen meinem Zieleinlauf und meiner Siegerehrung! Nach und nach trudelten auch die weiteren Internationalen ein und wir sammelten uns auf einer Sitzbank am Zielbogen. Und Jürgen ging los und holte mir eine Medaille, nach dem die Veranstalter jetzt offensichtlich erkannt hatten, dass ausreichend vorhanden waren. Nach 6 Stunden wurden die letzten Läufer gebeten, auf dem Bürgersteig zu wechseln, damit die Straße freigegeben werden konnte. Hat auch funktioniert. Als letzte kam übrigens Deborah ins Ziel, die später eine Sonderehrung analog dem letzten Pferd bei Pferderennen erhielt: das gleiche Geschenk, wie es auch die Sieger erhalten hatten. Nachdem alle (Distanzen, Altersklassen und Wertungen) geehrt waren, wurde es schon wieder frisch und wir gingen bepackt mit unserer Ausbeute gen Unterkünfte.
Nach der Dusche trafen wir uns beim Chinesen zum Abschlussabendessen mit Deborah und Thomas. Nach Kofferp
acken und einer kurzen Nacht, um frühzeitig ohne Stau zum Flughafen zu fahren, checkten wir problemlos für den Rückflug ein und trafen wieder auf Thomas, der eine Stunde später nach Frankfurt starten sollte. Diesmal war unser Flieger gut besetzt, aber ohne Ringernationalmannschaft.
Das war die Geschichte vom 101. (=Doris) bzw. 106. (=Mario) Länderpunkt.