Die zähe Erkältung, die ich mir kurz nach Venedig geholt hatte, hinderte mich schon wieder, vernünftig zu trainieren und so fliege ich am 20.11. mit der Angst nach Kapstadt, das strenge Zeitlimit von 5 Stunden vielleicht nicht schaffen zu können. Denn tatsächlich wird hier das Ziel pünktlich auf die Sekunde geschlossen.
Die 31°C, auf die das Thermometer dann am Vortag des Marathonlaufs klettert, lindern diese Angst in keinster Weise, sondern machen mir noch mehr Sorgen.

Für Sightseeing ist dieses tolle Wetter natürlich ideal und so schlendere ich mit meinem ehemaligen Arbeitskollegen Hans-Jürgen Groesz, der seit zwei Jahren ein Gästehaus in Kapstadt betreibt, durch Stellenbosch. Dieser Ort in Südafrikas Weingegend liegt zwar nur knapp 50 km von Kapstadt entfernt, aber wegen des frühen Starts um 5:30 Uhr entscheiden wir uns für die Anreise am Freitag Nachmittag. Im sehr modernen Leif&Leisure Gästehaus hatte Hans-Jürgen bereits vorab ein günstiges Zimmer gebucht. Nach einem kleinen Snack gehen wir zum Markötter Sports Ground, um dort unsere Startnummern abzuholen.

Das geht ruckzuck, denn eine Marathonmesse gibt es hier nicht und obwohl rund 900 Teilnehmer für den Marathon und 1400 Teilnehmer für den Halbmarathon vorangemeldet sind, sind wir fast die einzigen hier.
Die Startgebühr ist unschlagbar. Zwar benötige ich hier eine temporäre Lizenz, die 25 Rand kostet, aber bei nur 60 Rand Startgebühr ist dies immer noch fast geschenkt. Für zusätzliche 55 Rand gibt es noch ein Funktionsshirt dazu. Alles zusammen also 140 Rand. Bei einem Umrechnungskurs von 13 Rand = 1 Euro ein echtes Schnäppchen.
Ein kleines Kärtchen ist den Startunterlagen in einer kleinen Plasiktüte beigefügt. Man muss es beim Lauf mitführen.

Im Zielgelände auf dem Sportplatz gibt es am frühen Marathonmorgen auch ein kleines Frühstück und Kaffee zu kaufen. Dann begeben wir uns auf die Straße außerhalb der Sportanlage zum Start. Es wird bereits langsam hell. Pünktlich um 5:30 Uhr erfolgt der Start des Winelands Marathon nach einer Schweigeminute. Beim Marathon im Vorjahr kamen zwei Helfer, Vater und Sohn, beim Aufstellen der Kilometerschilder auf tragische Weise zu Tode, als sie von einem betrunkenen Autofahrer erfasst wurden.
Der Halbmarathon wird 15 Minuten später gestartet und verläuft größten Teils auf einer anderen Strecke.

Es sind noch angenehme Temperaturen, etwa 18°C und vielleicht haben wir Glück und die Sonne bleibt hinter der geschlossenen Wolkendecke versteckt. Ganz leicht steigt am Anfang die Strecke, zwischen km 7 und km 10 jedoch spürbar. Ein Stück laufen wir auf der Straße, doch schnell werden wir durch die zu früher Morgenstunde noch wenigen Autos auf die oft breiten Seitenstreifen verbannt. Doch danach werden wir belohnt. Es geht bergab. Nach 10,5 km biegen wir links ab in eine Nebenstraße, die so gut wie nicht befahren ist.

Das kurvige Berabstück ist für mich der schönste Teil der Strecke.
"Werft euren Müll nicht hinter diesem Punkt weg" warnt dieses Hinweisschild. Die Helfer müssen dann nicht so weit laufen, um die Becher und kleinen Plastiktüten nach der Verpflegungsstation einzusammeln. Die meisten Läufer halten sich daran. Km 15 direkt nach einem Bahnübergang. Am Boden liegt ein Absperrband. Sollte ein Zug kommen, müssen die Läufer wohl warten.   
Kurz danach biegen wir ab nach links.  

Die letzten fünf Kilometer sind wir fast nur bergab gelaufen. Jetzt geht es flach weiter und tatsächlich nähert sich ein Zug. Pech für die Läufer ein paar Minuten hinter mir. Wenig später biegt der Kurs vor einer Tankstelle nach rechts ab. Es bleibt noch flach auf dem abwechslungsreichen kurvigen Abschnitt. Doch es war zu befürchten. Es geht wieder bergauf und immerhin sind außer uns Läufern auch mal ein paar Leute unterwegs auf dem sonst einsamen Kurs. Nicht nur die Orts- und Straßennamen, auch das Polizeiauto verraten den holländischen Ursprung dieser Gegend. "Verkeer" ist das Wort für Verkehr in Afrikaans, früher auch Kapholländisch genannt. Diese in Südafrika verbreitete Sprache entwickelte sich nach der Gründung Kapstadts 1652 im Auftrag der Ostindien-Kompanie. Die systematische Besiedlung der Gebiete um Kapstadt durch niederländische Bürger begann mit der Gründung von Stellenbosch im Jahre 1679.

Bei km 18 ist diese kurze Steigung geschafft und wir sind froh, wenn auch mal ab und zu ein paar Zuschauer, wie diese jungen Mädels, an der Strecke stehen, denn hauptsächlich sind wir Läufer und Läuferinnen unter uns. Km 22. Wir biegen nach rechts ab auf die R44, eine breite Straße mit je zwei Spuren in beide Richtungen. Keine Straße wird für den Marathon gesperrt. Hier, wo mehr Verkehr ist, laufen wir wieder auf dem breiten Standstreifen. Es geht auf und ab auf diesem Abschnitt und wir sehen ganz auf der anderen Seite schnellere Läufer entgegenkommen. Wie weit laufen wir, bis auch wir die Wende erreichen?

Wir verlassen die R44 und erreichen kurz danach km 28. Wir laufen jetzt fast im Nebel aus dem es ganz fein nieselt. Es ist noch kühler als am Start. Das sind für mich ideale Bedingungen und ich brauche mir spätestens jetzt keine Sorgen mehr zu machen, das Zeitlimt eventuell nicht schaffen zu können. Dann geht es noch ein paar Meter bergan bis wir dann über eine Brücke und ein kurzes Zubringerstück auf der anderen Straßenseite wieder auf die R44 einbiegen auf die gut 6 km zurück auf diesem Abschnitt. 

Bei km 22 waren wir auf die R44 abgezweigt. Die gut 6 Kilometer Rückweg haben wir geschafft, aber es geht weiter auf dieser Straße und es bleibt wellig. Entlang der Strecke auf der Weinroute liegt das ein oder andere Weingut, aber an den Verpflegungsstellen wird beim Winelands Marathon kein Wein angeboten. An den ungefähr alle zwei Kilometer zahlreichen Verpflegungsstellen wird Wasser in kleinen blauen Plasikbeuteln gereicht, die man mit den Zähnen leicht aufreissen kann und dazu von Beginn an Coca Cola in Bechern. Hier bei km 36 gibt es auch mal was zum essen. Sieht nach Kartoffeln aus. Kannte ich bisher auch noch nicht beim Marathon.

Kurz nach km 38 ist die rund anderthalb Kilometer lange letzte Steigung zu bewältigen, dann geht es nach der letzten Verpflegungsstelle nur noch bergab in Richtung Ziel. In einer Zeit von 4:38 laufe ich über die Ziellinie. Ein Polster von gut 20 Minuten vor dem Zielschluss hatte ich noch. Aber wenn es tatsächlich warm gewesen wäre??? Ich erhalte eine schöne Medaille und ein Kärtchen mit meiner Platzierung 657. Wenig spaeter wird dieses Kärtchen eingesammelt zusammen mit dem blauen Kärtchen, das man mitzuführen hatte. Beides kommt in die kleine Plastiktüte und dient für die Ergebnisauswertung. 

Natürlich haben wir in dieser Weingegend auch an einige Weingüter besucht und die Weine probiert, aber die Gegend um Kapstadt bietet auch reichlich mehr interessantes, wie den Noon Gun täglich um 12:00 Uhr auf dem Signal Hill in Kapstadt, von wo man auch einen tollen Ausblick auf die Stadt und auf den Bau des WM Stadions hat. Auch das gehört zu Kapstadt. Die vielen Townships, in die die schwarze Bevölkerung abgeschoben wurde. Für die Weißen sind es billige Arbeitskräfte. Bei meinem Besuch war ich aber überrascht, dass es sich hier durchaus leben lässt. Zufällig treffe ich auch einen deutschen Aussteiger, der sich selbst als Einsteiger bezeichnet und vor acht Monaten den Entschluß gefasst hat, direkt hierher ins Township auszuwandern. Arbeit hat er keine mehr, auch noch keine Papiere. Aber er ist glücklich hier.

In Hermanus, zwei Autostunden südlich von Kapstadt kann man von den Klippen aus Wale beobachten, die sich in der Bucht tummeln. Fährt man noch ein Stück weiter erreicht man am Kap Agulhas den südlichsten Punkt Afrikas. Sehr gut und vor allem preiswert kann man vielerorts essen. Im Vergleich zu meiner Reise im Februar 2006 bekommt man jetzt doppelt so viele Rand für den Euro.

Kapstadt hat auch schöne Strände. Das Wasser ist zwar kalt, aber bei rund 30°C kann man reichlich Sonne tanken und relaxen.

Viele Grüße
 Michael Weber