Stonehenge ging aus einer reichen Tradition ähnlich rätselhafter Strukturen hervor. Henges - kreisförmige Erdwälle mit anliegenden Rundgräben - Hünengräber und Grabhügel, Monolithen, Steinkreise und -hufeisen waren im neolithischen Britannien und in Teilen Kontinentaleuropas weit verbreitet. In den verschiedenen Phasen seiner Entstehung spiegelte Stonehenge viele dieser Traditionen wider.
Seine nachweislich ersten Steinstrukturen, die Blausteine, wurden aus Wales herbeigeschafft und trafen höchstwahrscheinlich irgendwann vor 2500 v. Chr. ein. Danach folgten die äußeren Steine, die das Bauwerk ergänzten.

Der Sarsen Trail ist eine Wanderstrecke über 26,2 Meilen durch die Landschaft des Wiltshire. Auf dem selben Kurs gibt es für die Läufer den Neolithic Marathon und Halbmarathon. Die Route ist einzigartig und verbindet zwei der Welt-Kulturerbe-Stätten Großbritanniens, den antiken Steinkreis von Avebury und das weltbekannte Stonehenge. Der Trailkurs führt über das kleine Tal von Pewsey und das Avon Tal mit seinen atemberaubenden Ausblicken und danach über die naürlichen Kontraste der Salisbury Ebene, von der Teile normaler Weise für die Öffentlichkeit gesperrt sind. Der Multi-Terrain Kurs ist ein Mix aus Grasland Abschnitten und Wegen mit unterschiedlichen Belägen, meist Schotter.  

Mit ihrer Teilnahme unterstützen die Walker und Läufer die wild lebenden Tiere dieser Landschaft. Jeder Penny der Teilnahmegebühr fließt in die Wiltshire Wildlife Stiftung, den größten Wohltätigkeitsverband für den Naturschutz dieses Bezirks. Die Veranstaltung erfolgt jedes Jahr am ersten Mai-Wochenende, an das der Montag als Feiertag anschließt (Bank Holiday).

Doch bevor wir von London aus die Reise nach Stonehenge antreten, nehmen wir uns noch zwei Tage Zeit, uns London anzuschauen und zwar vor allem das, was es 1994, als ich hier am Marathon teilgenommen habe, noch nicht gegeben hat. Da ist zunächst einmal unser Hotel Jurys Inn im neuen Imperial Wharf Komplex, der mich architektonisch sehr beeindruckt hat. Etwas Außerhalb vom Zentrum in Chelsea gelegen sind wir hier aber hervorragend untergebracht und per Untergrundbahn ist man sehr schnell in der Londoner Innenstadt oder an anderen sehenswerten Orten. Eine Fahrt im London Eye, auch bekannt unter der Bezeichnung Millennium Wheel, dem mit 135 Metern Höhe höchsten Riesenrads Europas, können wir uns nicht verkneifen. Sie dauert 30 Minuten und bietet somit eine gute Gelegenheit, sich London von oben anzuschauen.

Über ein Schnellboot gelangen wir direkt vom Riesenrad nach Greenwich und besichtigen den Millennium Dome, heute O2 Arena genannt. Dieser Entertainment-Komplex wird hauptsächlich als Konzerthalle benutzt und bietet Platz für bis zu 20.000 Besucher. Wir sehen viele, vor allem junge, Menschen in dieser Halle, denn am Abend gibt die Popsängerin Pink hier ein Konzert. Wir gönnen uns ein anderes Highlight:
Das von Sir Cameron Mackintosh neu aufgelegte Musical „Oliver!“ ist gerade auf dem Weg, die erfolgreichste Aufführung in der Geschichte des Londoner West Ends zu werden. Allein die Ticket-Vorverkäufe haben bereits 15 Millionen Pfund eingebracht und garantieren damit bis Ende Juli gut gefüllte Vorstellungen. Das Musical  stammt vom britischen Komponisten Lionel Bart, der es frei nach Charles Dickens’ Roman „Oliver Twist“ verfasst hat. Der uns als Mr. Bean bekannte Rowan Atkinson ist hier in der in der Rolle des Fagin zu sehen und zeigt sich dabei von einer ganz anderen Seite, wobei er geschickt in der ein oder anderen Szene kurz auch mal in die Rolle des Mr. Bean schlüpft und so das Publikum auf seine Seite zieht.

Im Covent Garden jongliert in einem klimatisierten Glaskasten der 25 jährige Dan Magness 24 Stunden lang einen Fußball mit Füßen, Knie, Kopf und Schulter ohne dass dieser den Boden berührt. Diese Leistung beschert ihm einen Eintrag im "Guinness-Buch der Rekorde". Sechs Wochen lang hatte er zuvor trainiert und dabei 20 Kilo abgenommen. Am Samstag machen wir uns dann auf den Weg zur Waterloo Station, um per Bahn in das rund 130 km entfernte Salisbury zu gelangen. In Salisbury steht die über 750 Jahre alte Kathedrale mit dem höchsten Kirchturm Großbritanniens (123 Meter), dem am besten erhaltenen Originalexemplar der Magna Carta (anno 1215) und der ältesten funktionstüchtigen Uhr Europas (1386).

Mit dem Linienbus gelangen wir in 20 Minuten nach Amesbury, einer Kleinstadt auf der Hochebene von Salisbury. Das Fairlawn Hotel ist eines der besten Gästehäuser der Gegend und gar nicht einmal so teuer. Hier sind wir bestens untergebracht. Stonehenge ist von hier aus rund 3,5 km entfernt. Wir fahren am Marathonmorgen um 7:45 Uhr mit dem Taxi dorthin, denn es ist das Ziel des Marathons und von dort fahren die Busse zum Start in Avebury. Auf der kurzen Strecke geht es vorbei an der Kirche St. Mary & St. Melor und über den Fluss Avon. Die Stonehenge Road führt direkt von Amesbury nach Stonehenge.

Und dann sind wir schon da. Für die von der Wiltshire Wildlife Stiftung organisierten Veranstaltung sollte ursprünglich auch eine Online-Anmeldung möglich sein, doch aus mir unbekannten Gründen wurde diese Möglichkeit nicht eingerichtet. So akzeptiert Funraising Officer Kirsten Kerr-Bonner auch eine formlose Anmeldung per e-Mail. Die Startgebühr bei Anmeldung bis zum 9. März beträgt 25 britische Pfund (28 Euro). Nachdem wir uns unten im Zelt einen Gutschein für die Busfahrt geholt haben (im Startgeld inbegriffen) können wir einsteigen zur Fahrt an den Startort Avebury.

Im Avebury Social Centre holen wir unsere Startunterlagen ab und haben anschließend noch Zeit, uns hier etwas umzuschauen. Auch in Avebury finden wir Steinkreise rechts und links der kleinen Straße auf der später der Marathon gestartet wird. Es ist noch frisch, aber die Sonnenstrahlen wärmen ein wenig beim warten auf den Start.
Pünktlich um 10:30 Uhr fällt dann endlich der Startschuss für den Marathon. Die Walker sind an anderer Stelle gestartet und bereits unterwegs.

Am Anfang geht es auf schmalen Wegen noch etwas eng zu. Danach folgt ein nicht einfach zu laufendes Stück über einen zerfurchten Grasweg. Am Ende dieses Abschnitts geht es sogar über eine Wiese leicht bergab. Aber das Streckenprofil zeigt, dass es gleich anders werden wird. Ab Meile 2 zieht es sich so langsam hinauf. Es geht durch Rapsfelder mal auf Gras und mal auf Feldwegen. Und es geht weiter nach oben. Auch viele Mitglieder vom englischen 100 Marathon Club sind heute dabei, wie Danny Kay mit der Startnummer 1.  
Startnummer 11 trägt die junge Läuferin Anna Finn, die heute ihren 51 Marathon läuft. Sie war schon am Vortag beim 40 Meilen Lauf Oxon 40 am Start. Atemberaubend der Ausblick vor der teilweise steilen Bergabpassage. Noch einmal geht es ein kleines Stück hinauf und dann weiter bergab.

Die erste Verpflegungsstation haben wir gerade hinter uns und ich bin genau 55 Minuten bis dahin unterwegs gewesen. Ab und zu sind auch Toilettenhäuschen aufgestellt. Es läuft gut auf diesen Kilometern durch die Rapsfelder. Um Meile 8 geht es auch ein längeres Stück sehr angenehm auf Asphalt und wir streifen zum einzigen Mal auch eine kleine Ortschaft. Die zweite Verpflegungsstation kommt wenig später. Auch hier gibt es nur Wasser. Herrlich so ein Streckenabschnitt über eine Wiese und dann hinten über den Zaun. Was denn nun? Anhalten, schauen und hören und dann über die Gleise oder ist es bei Strafe verboten? Wir haben ja keine Wahl, also rüber über die Schienen. Wieder sind Kletterkünste gefragt, bevor es weiter auf schönen weichen Grasboden geht. 10 Meilen sind nun geschafft und noch sind alle bei guter Laune. Es macht richtig Spaß dieser Kurs.

Bei Meile 11 wieder Rapsfelder und dann geht es bergan.  
Genau am Ende der Steigung geht es nach links auf eine breite Schotterstraße. Der zweithöchste Punkt ist nun erreicht. Meile 13 ist erreicht und meine Uhr zeigt 2:06. Bei dieser schwierigen und welligen Strecke hätte ich mir diese Zeit zur Hälfte des Kurses nicht zugetraut. Aber diese Schotterstraße scheint sich schier endlos zu ziehen. Der Fahrer des Autos hat mein 100 Marathon Club Laufhemd gesehen und fragt mich, wie viele Marathons ich denn schon gelaufen wäre. Heute ist es die Nummer 221 antworte ich ihm. Seine Frau, der er noch etwas gereicht hat, läuft heute ihren 48. gibt er mir zu wissen.
Abwechslung gibt es außer durch solche Vorkommnisse jetzt nur durch bergab und bergauf Abschnitte. Es sind nun rund 17 Meilen gelaufen und ich bin völlig platt. Liegt es an zu wenig Schlaf in den Nächten davor, zu wenig getrunken am Vortag oder an der schlechten Verpflegung, wo es außer Wasser nichts gibt? Oder habe ich mich schlicht übernommen auf der so interessanten ersten Streckenhälfte?

Ich glaube erst nach Meile 19 wechselt wieder der Untergrund. Ich gehe längst und messe die Zeit, die ich für eine Meile benötige. Das sind rund 15 Minuten und das ergäbe am Ende eine miserable 5:15 wenn ich nur noch gehen würde. Diese Zeit passt nicht mal in meinen Ziel-60 Rahmen und daher muss ich mich nochmal aufraffen und immer mal wieder auch laufen. Die Verpflegung, das Wasser kommt aus diesen blauen Behältern, baut mich nicht mehr auf.
Immerhin bis Meile 23 habe ich 8 Minuten gut gemacht. Das würde für eine passende 5:07 reichen, auch wenn ich jetzt nur noch gehe. Aber das gibt irgendwie auch neue Kräfte und ich laufe nach einer kurzen Steigung wieder ein längeres Stück. Doch wo ist Meile 24? Ich habe kein Schild gesehen. Auch Meile 25 kommt nicht. 
4:52 zeigt meine Uhr inzwischen und vom Ziel ist weit und breit nichts zu sehen. Fotostopps kann ich jetzt keine mehr machen, ich will eine passende Zeit noch schaffen. Endlich sehe ich in der Ferne die Straße von Amesbury nach Stonehenge. Es ist nicht mehr weit.
 
Am berühmten Steinkreis von Stonehenge führt die Strecke aber nicht vorbei. Der liegt auf der anderen Seite der Straße. Nur von fern sehen wir links oben die Steine beim Zieleinlauf. Dann ist es endlich geschafft. Mit 5:06:20 erreiche ich zum Glück eine passende Ziel-60 Zeit, aber hätte ich mich auf die Meilenangaben auf der Strecke verlassen, wäre ich verlassen gewesen.
Wenn man im Nachhinein das Höhenprofil näher betrachtet, haben die Schilder auch irgendwie nicht gepasst. Demnach wäre der zweithöchste Punkt bei Meile 11 und nicht erst bei 12 gewesen. So erklärt sich auch die gute Zeit bei der vermeintlichen Halbmarathonmarke und dass zwischen Meile 23 und 26 offensichtlich 4 Meilen zu laufen waren.
       
Den Steinkreis kann man anschließend durch den Absperrzaun anschauen oder man bezahlt an der Kasse 6,60 Pfund. Dann gelangt man durch eine Unterführung auf die andere Straßenseite und bekommt dazu noch einen Audioguide, der dieses Weltkulturerbe auch in deutscher Sprache erläutert. Verwittert und verfallen hütet Stonehenge auch 4500 Jahre nach seiner Entstehung sein Geheimnis. Der Steinkreis ist Teil einer kunstvoll gestalteten Landschaft. Im vergangenen Jahr haben zum ersten Mal seit Jahrzehnten Archäologen wieder innerhalb der Kreisanlage gegraben. Sie hoffen, Hinweise zur genaueren Bestimmung des Alters und der Bedeutung von Stonehenge zu finden.

Viele Grüße
 Michael Weber