Nach über 3 Monaten Reisevorbereitung (Einladungsschreiben, Visumsantrag, Koordination der Hotelbuchung für die internationalen Läufer) wurde der Marathonlauf aus politischen Gründen knapp 2 Wochen vor dem geplanten Veranstaltungstermin auf unbekannt verschoben. Das war nach 2022 die zweite Verlegung, so dass es dem polnischen Organisator des Damaskus-Marathon zu bunt wurde und er seine Kontakte vom Vorjahr nutzte, um eine eigene Veranstaltung auf die Beine zu stellen. Schnell waren 9 internationale Läufer gefunden, die wie ich meistens das Flugticket bereits gebucht und Visum schon bezahlt hatten. Wir verabredeten uns also zum gleichen Termin an gleicher Stelle des Originalmarathons.
Ich flog mit der Lufthansa und ab Frankfurt stieß Clubmitglied Thomas dazu. Da wir im gleichen Hotel wohnten, wurden wir in Algier vom Veranstalter in Empfang genommen und warteten noch auf die beiden Dänen, die via Paris anreisten. Im Hotel trafen wir den Polen und später kam noch ein österreichischer Läufer dazu. Damit waren 6 der 9 Läufer schon mal im gleichen Hotel. Nach dem Abendessen kamen wir an einer Metrostation vorbei. Ich hatte noch Lust auf ein kleines Abenteuer, ging nach unten, kaufte mir 2 Fahrkarten für kleines Geld (35 Eurocent je Ticket) und fuhr einmal bis zur Endstation und wieder zurück. Meine Erfahrung: schnell, sauber und leise.
Die anderen 3 (aus Polen, Iran und Nigeria) kamen dann zum Ausflug oder spätestens zum Lauf am Freitag dazu. Am Donnerstag machten wir einen Tagesausflug in eine historische Handelsplatz Tipasa, die bereits von den Phöniziern und Römern große Bedeutung hatte. Nach Bierkäufen in Läden hinter Metallgittern ging es auf eine ökologische Farm zum algerischen Mittagessen und einer kurzen Besichtigung der Anlage. Abends fuhren wir noch zum Nationaldenkmal in Algier, wo Hochbetrieb war, denn es war ja quasi „Samstagabend“.
Freitag Morgen ging es früh los, nach einer Tasse Kaffee und 2 Muffins to go aus der Hotelküche fuhren wir im Kleinbus zum Start in der Stadt Ain Tagourait (40 km westlich von Algier). Nach dem Eintreffen der restlichen Läufer unserer Gruppe gingen wir zum Originalstartpunkt im Ort. Start war um 8:00 und wir liefen in Richtung Algier auf einer Wendepunktstrecke. Das Meer also zuerst auf der linken Seite durch mehrere kleinere Städte und immer wieder Obst- und Gemüseplantagen. Alle 5 Kilometer wurden wir aus PKWs mit Wasser, später Bananen, Datteln und sogar Iso versorgt. Nach ca. 1 Stunde setzte ein stärkerer Regenschauer ein. Zum Glück waren wir durch die Straßenbepflanzung vor dem Wind geschützt, denn sonst wäre es wohl kühl geworden. Als der Regen aufhörte, war schon fast die Wendeschleife erreicht, für die wir 1,5 km an der Strandstraße liefen. Mit dem Wendepunkt begann ein ziemlich heftiger Gegenwind, der fast bis zum Schluss spürbar war. Das waren die Ausläufer von dem Orkan über Frankreich: hier wühlte er das Meer auf und drückte das Wasser bis auf die ca. 50m von der Wasserlinie entfernte Straße. Außerdem gab es Sandverwehungen und sogar ein Strommast lag umgeknickt am Boden. Da ich auf dem Hinweg bereits alle Fotos geschossen hatte, konnte ich zurück die Auslagen der Gemüse- und Obsthändler bestaunen, die teilweise an Ständen, aber auch von den Ladeflächen ihrer Fahrzeuge verkauften. Irgendwann konnte ich nicht widerstehen und kaufte eine 1 Kilogramm schwere Kartoffel. Zuerst trug ich sie und hatte dann Glück, dass mir die Dame des nächsten V-Punkts anbot, sie für mich ins Ziel mitzunehmen. (Übrigens hat die Kartoffel als Backkartoffel ganz hervorragend geschmeckt.) Nun hatte ich also die Hände wieder frei und konnte mir im nächsten Ort eine Cola kaufen. Nach etwas über 5 Stunden kam ich im Ziel an und wir warteten auf die letzten 5 Läufer. Als alle gefinisht hatten bekamen wir die Originalmedaillen überreicht, nachdem wir die Originalstartnummern fürs Startfoto bereits vorab bekommen hatten. Somit wieder zurück nach Algier, wo es (wegen Freitag) keine ganz so große Restaurant- und Speisenauswahl gab. Es sind trotzdem alle satt geworden. Am Abreisetag nahmen Thomas und ich kein Taxi zum Flughafen, sondern sind mit der Regionalbahn gefahren - diesmal für 55 Eurocent Fahrpreis. Der Zug war größtenteils fast leer und der Fußweg zum Terminal war ebenfalls gut zu bewältigen. Nach der Abholung der Bordkarten versuchte ich meine restlichen Dinar zurückzutauschen. Überraschenderweise ging das nicht bei den 3 Banken im Flughafengebäude, sondern nur bei den Geldwechslern, die omnipräsent waren. Allerdings war der Kurs deutlich schlechter als beim Tausch von Euro in Dinar. Nun verstand in den Hinweis der Mitarbeiterin des Telefonladens am Ankunftstag, nicht zu viel Geld zu wechseln. Na ja, ich hab den Kursverlust überlebt, kaufte vom Restgeld noch ein paar Snickers. Den Rückflug nach Frankfurt durfte ich am Notausgang sitzen, den ich ohne Zusatzkosten auswählen konnte (da war der Kursverlust schon wieder kompensiert!). Nach meiner leicht verspäteten Ankunft in Hamburg holte mich Doris vom Flughafen ab und wir fuhren ins Volksparkstadion zum HSV-Spiel. Das Spiel hatte noch nicht begonnen, da zeigten meine Kollegen die Nachricht auf ihren Smartphones, dass der Flughafen Hamburg wegen einer Geiselnahme komplett geschlossen wurde und der Flugbetrieb eingestellt wurde. Da hatte ich richtig Glück und mein Nachbar meinte am nächsten Tag: „Du reist in die ‚verrücktesten‘ Gegenden der Welt … und am Heimatflughafen in Deutschland passiert’s dann.“ Wie gesagt, ich hab Glück gehabt. Bei einer Stunde Verspätung wäre ich in Hamburg nicht nur dabei, sondern mittendrin gewesen.
Das war die Geschichte vom 97. Länderpunkt.