Aus dem slawischen Fährdorf Stralow entwickelte sich im 13. Jahrhundert die reiche Hansestadt Stralsund. Die zahlreichen erhaltenen Baudenkmäler zeugen noch heute vom Wohlstand der hanseatischen Kaufmannsfamilien. 2002 wurde die historische Altstadt ins Welterbe der UNESCO aufgenommen.
Bei einem Spaziergang durch die Altstadt beeindrucken die zum überwiegenden Teil sanierten und restaurierten Gebäude.
Der Alte Markt ist umringt von Bürgerhäusern. Imposant ist hier auch der Blick auf das gotische Rathaus mit seinen Spitzgiebeln.
Die Altstadt wird von einer Mauer umschlossen, die zum Teil noch im Originalzustand ist. Das leuchtende Rot der Stadtmauer findet sich in der Altstadt mehrfach wieder und kennzeichnet so die charakteristische Backsteingotik Stralsunds. Das Kütertor mit seinem Barock-Spitzdach oder die Marienkirche am Neuen Markt mit ihrem 104 m hohen Westturm, dessen Aussichtsplattform man über 365 Stufen ersteigen kann, sind weitere Beispiele hierfür.

Zur Startnummernausgabe in der Straße Am Fischmarkt an der Hafeninsel führt der 15 minütige Fußweg vom Bahnhof zunächst entlang dem Knieper Teich auf der linken und dem Franken Teich auf der rechten Seite, wodurch der historische Stadtkern quasi auf einer Insel gelegen ist. Dann geht es gerade aus durch die Altstadt bis zur Hafeninsel. Im Moment wird hier noch gebaut. Ab Mitte Juli soll hier das OZEANEUM eröffnen und dann eine europaweit einzigartige Reise durch die Unterwasserwelt der nördlichen Meere bieten.
Das Organisationsbüro mit der Startnummernausgabe befindet sich in der Nähe in einer alten Halle, die gleichzeitig das Infozentrum für das OZEANEUM beinhaltet. Anstatt eines obligatorischen T-Shirts, von denen wir ja schon mehr als genug haben, erhält man gegen einen Aufpreis von nur 10 Euro das Rügenbrücken Marathon Poloshirt. Eine gute Idee des Veranstalters.

Auf dem Veranstaltungsgelände fallen die Fahrzeuge der Sponsoren ins Auge. Auch Boris Becker mit seinem Autohaus gehört dazu.
Von 14:00 Uhr bis 20:30 Uhr ist am Samstag Nachmittag ein Kutterrennen, DJ und Musik vorgesehen, doch bei Dauerregen fällt mir nichts davon auf. Vielleicht ist dieses Rahmenprogramm auch ins Wasser gefallen. Zur Pasta-Party, für die ein Bon den Startunterlagen beiliegt, wird in einem großen Zelt von 18:00 Uhr bis 22:00 Uhr geladen. Als ich gegen 19:00 Uhr eintreffe, sitzen nur wenige im Zelt, aber ich treffe dort alte Bekannte, wie Anneliese und Hartmut Pause oder Achim Langnickel. Das Nudelgericht mit zwei verschiedenen Soßen ist unterer Durchschnitt und von der im per e-Mail kurz vorher versandten Infobrief angekündigten Live-Musik ist keine Spur.
Dennoch, vor dem Zelt steht ein Truck eines Musiksenders und tatsächlich soll um 21:00 Uhr eine Schlagerparty stattfinden. Trotz des Regens komme ich daher noch mal hierher und die beiden engagierten Unterhalter sind sichtlich enttäuscht ob der geringen Zuschauerresonanz. Aber welcher Läufer geht schon zu einer Veranstaltung zu dieser späten Stunde, noch dazu bei Regen?

In nur einer halben Stunde spulen die beiden ihr Programm herunter und animieren die wenigen Zuschauer durch Gewinnspielfragen zum Mitmachen oder fordern für eine Schlager CD zu einer Tanzeinlage auf.
Eine nette Läuferin beobachtet mich bei meinen Schnappschüssen und fragt nach meinem Kameramodell. Bei ihrer Kamera war nämlich der Akku leer und sie hofft, dass ich vielleicht mit einem Ladegerät aushelfen kann. Tatsächlich sind es die gleichen Akkus und ich verspreche, ihren Akku morgen geladen mitzubringen. 

Der Lauftag begrüßt uns mit heiterem sonnigem Wetter, was meine Stimmung deutlich hebt. Das Startgelände am Hafen ist bei diesen Verhältnissen natürlich schon etwas äußerst reizvolles. Eine kurze Zeit lang stand dieser Termin allerdings auf der Kippe, denn wegen der Bürgermeister Wahlen just an diesem Sonntag, wollte man den Lauf auf Samstag vorverlegen. Zum Glück kam es nicht dazu, denn aus beruflichen Gründen hätte ich dann nicht teilnehmen können und die Clubmitglieder, die schon am Samstag im Einsatz waren, auch nicht.
Stralsund am Strelasund gilt als das Tor zur Insel Rügen. Im Oktober 2007 wurde die große Rügenbrücke eröffnet, die diesem Marathon ihren Namen gab. Vom Startgelände ist diese gut zu sehen.
Am selben Tag findet in Wilhelmshaven der Gorch Fock Marathon statt, doch das 1933 erbaute Segelschulschiff, das lange Zeit für die Sowjetunion als Towarischtsch im Einsatz war, liegt hier in Stralsund vor Anker und kann ganzjährig besichtigt werden. Der Start ist genau vor dem Liegeplatz der Gorch Fock. Ich treffe hier auch Lothar Gehrke und Günter Heyer.
Auch Dietrich Eberle und Sigrid Eichner treffen wenig später ein. Beide waren am Vortag auf dem Rennsteig gelaufen.

Wir stellen uns auf zum Gruppenfoto und anschließend bleibt noch genügend Zeit für den ein oder anderen Plausch. Die Startzeit wurde nämlich wegen der späteren Überquerung des alten Rügendamms mit der Brücke schon im Vorfeld auf 10:20 Uhr verschoben, um der Gefahr zu entgehen, dass diese alte Brücke während der Veranstaltung hochgeklappt wird und die Läufer dann eine Zwangspause kurz vor dem Ziel einlegen müssen.
Im Laufdress sehen die Leute anders aus, als am Vorabend in ziviler Kleidung, doch die Läuferin im Vordergrund war es, die mir ihren Kamera Akku anvertraut hatte. So kann ich ihn rechtzeitig zurückgeben, damit die junge Läuferin unterwegs auch ein paar Schnappschüsse machen kann.  

Doch der Start verschiebt sich nochmals um 10 Minuten, bis die Polizei die Strecke freigibt. Im Starterfeld entdecke ich auch Gottfried Schäfers im Clubhemd. Vor uns Marathonläufern wurden die Walker bereits auf die Strecke geschickt und auch ein Kinderlauf gestartet.
Dann geht es auch für uns endlich los. Birgit Jerschabek-Keipke, die mit ihrer Zeit von 2:28:02 beim Lissabon Marathon 1995 noch immer unter den Top 10 der Deutschen Frauen rangiert, gibt den Startschuss und junge Cheerleader stehen uns auf den ersten Metern Spalier.
Wir laufen durch das Hafengelände, Am Fischmarkt und die Wasserstraße.
Danach folgen die Werftstraße und Schwarze Kuppe.
Ein Radfahrer kündigt die ersten 10 km Läufer an, die nur 5 Minuten nach dem Feld der 222 Marathonläufer auf die gleiche Strecke geschickt wurden und uns nun so nach und nach überholen, was aber durch die jetzt breiten Straßen kein Problem darstellt.

Es ist noch ein kleines Stück, bis wir auf die Brücke laufen, Kilometerschilder sind aber bisher keine zu sehen. Diese wurden bei dieser Marathonpremiere doch nicht etwa vergessen?
Endlich geht es hinauf auf die Brücke und wir sind jetzt ungefähr drei Kilometer unterwegs. Die Steigung hinauf fällt uns daher noch nicht schwer und unsere Gedanken sind bei der Aussicht auf die beeindruckende Brückenkonstruktion.
Der Anstieg ist schnell geschafft und auf der anderen Seite geht es ja dafür wieder hinunter, wobei sich die Brücke dann noch einganzes Stück zieht.
Die Walker und 10 km Läufer wenden bereits hier auf der Brücke und für einen Moment sind Teilnehmer dreier zu unterschiedlichen Zeiten gestarteter Wettbewerbe hier gemeinsam unterwegs. Dann verlassen wir die Brücke nach links und endlich vor der ersten Verpflegungsstation ein Kilometerschild: km 6.

Es geht nach rechts und zieht sich dann links einen Kilometer leicht hinauf nach Altefähr. Hier in einem sehr schönen Wohngebiet mit gepflegten Vorgärten sorgen Trommelklänge für Stimmung.
Das kleine Häuschen, hinter dem wir nach rechts abbiegen, passt nicht so ganz in dieses Bild und wurde dafür wenigstens sehr ansprechend bemalt.
Schon nach einem Kilometer verlassen wir Altefähr und laufen nun auf einer alten Betonpiste, sicherlich noch aus Erich Honeckers Zeiten, durch einen Windkraftpark in Richtung Barnkevitz.

Danach bestimmen große Rapsfelder in voller Blüte die Szenerie und der Untergrund wird nun angenehm weich.
Die Läuferin mit Sonnenbrille ist Astrid Franke, die bereits seit 15 Jahren auf Rügen lebt und heute ihren ersten Marathon läuft.
Es folgt der für mich reizvollste Teil der Strecke auf schmalen Pfaden entlang des Strelasunds. Helfer vom THW und der Feuerwehr unterstützen bei den Streckenposten und den Verpflegungsstellen.
Pferde im Garten in Gruvitz, aber auch Hunde, die plötzlich auf die Läufer losgehen und unglücklicher Weise wird kurz hinter mir eine junge Läuferin ausgerechnet bei ihrem ersten Marathon von einem Hund gebissen. Sie wird aber später versorgt und kann den Marathon wohl fortsetzen. Danach erreichen wir Breesen.

Auch hier geht es vorbei an schönen Anwesen, aber wir laufen nun auf Betonplatten, deren Vertiefungen für die Ösen an denen die Stahlseile befestigt waren, um diese seinerzeit abzuladen, tückische Stolperfallen darstellen. Als ich ca. 18 Kilometer in den Beinen habe, kommt mir bereits der spätere Sieger entgegen. Christian Nitschke gewinnt in 2:57:48 bei seinem ersten Marathonlauf.
Bei km 20 erreichen wir Rambin und an einer Wegkreuzung biegen wir nach links ab, uns entgegen kommende Läufer aber auch nach links, denn ab hier ist der Rückweg für einige Kilometer nicht identisch mit dem Hinweg. Wenige Meter weiter kommen an der nächsten Kreuzung Läufer von links hoch, doch ich folge den Läufern geradeaus. Kein Streckenposten an dieser Stelle, aber es passiert zum Glück nichts, denn dieser falsche Weg führt nur ein paar Meter weiter über einen Rasen wieder auf den richtigen Weg. Wir müssen uns hier nur kurz orientieren, denn hier laufen ja Läufer in beide Richtungen. Dann erreichen auch wir den Wendepunkt, den ich bei ca. km 22 vermute.

Kaum auf dem Rückweg begegnen mir kurz nacheinander viele Clubmitglieder. Ich bin für mein heutiges Vorhaben für eine Endzeit von 4:37 noch viel zu schnell und sicherlich werden mich viele Clubmitglieder auf dem Rückweg überholen.
Neben Dietrich Eberle läuft Werner Britz heute seinen 100. Marathon. Auch Lothar Gehrke ist schon auf dem letzten Stück bis zur Wende, bis ich wenige Meter später den Abzweig erreiche und dann auf das Stück auf neuem Wege einbiege.
Nur gut einen Kilometer beträgt dieser Abstecher, dann geht es zunächst auf die alte Strecke zurück und später wieder auf die ungeliebten Betonplatten. Vor Breesen zweigt der Rückweg nach links ab, bis wir nach km 29 an einer Verpflegung wieder auf die alte Strecke treffen. Auf diesem interessanten neuen Abschnitt führt die Strecke wieder vorbei an einem schönen Anwesen und kurz darauf an der ev. Kapelle Bessin. Die kleine, achteckige Backsteinkapelle wurde 1482 vom damaligen Bürgermeister Matthias Darne gestiftet.

Auch dieses Haus mit Strohdach und großem Garten liegt noch auf diesem Abschnitt. Dann sind wir zurück auf der bekannten Strecke und bei km 31 folgt wieder der schöne Streckenteil am Strelasund.
Der Blick auf's Wasser entschädigt für die jetzt spürbare Ermüdung und zu meiner großen Freude geht dieser Rückweg noch sehr viel länger am Wasser vorbei und nicht mehr durch die Rapsfelder und den Windkraftpark.
Inzwischen war ich wesentlich langsamer geworden, um für die geplante 4:37 die Zielankunft einiger Maßen zu timen. Wann kommen denn endlich die ganzen Clubmitglieder, die doch bei der Wende nicht weit hinter mir lagen? Der erste ist Peter Wieneke, der den kurzen Abstand auf den vergangenen 10 Kilometern jetzt aufgeholt hat. Es geht ein Stück durch den Wald und dort zieht Horst Preisler an mir vorbei.

Auf diesem Küstenstreifen hat man immer wieder einen schönen Ausblick auf Stralsund. Km 35 ist bereits passiert und ich hänge mich eine Zeitlang an Horst Preisler dran. Es geht ein Stück bergauf und dann wieder auf der alten Strecke durch Altefähr, wo die Trommlergruppe noch immer im Einsatz ist.
Wir verlassen Altefähr bei km 37 und für die letzten beiden Kilometer hatte ich knapp 16 Minuten gebraucht. Nein, so langsam war ich nicht und das ist ein kleiner Kritikpunkt: Es fehlten einige Kilometerschilder und einige sind falsch aufgestellt, so dass die Abstände mal kürzer und mal länger sind.
Wir laufen nicht auf der neuen Rügenbrücke zurück, sondern neben ihr auf dem alten Rügendamm. Von hier kann man die Rügenbrücke aber noch einmal bewundern.

Der Rügendamm ist passiert und auch die 40 km Marke. Es geht wieder in Richtung Hafeninsel und für die Radfahrer wurden vorsichtshalber Hinweisschilder angebracht, dass heute wir Läufer Vorrang haben.
Nochmal Trommeln auf den letzten Metern vor dem Ziel, das ich in brutto 4:37:03 nach Ziel-60-Plan erreiche. Ich bekomme die Medaille umgehängt und eine Urkunde kann man sich dort sofort im Anschluss ausdrucken lassen. Die Zielverpflegung ist die selbe wie unterwegs auf der Strecke mit Wasser, Iso, Bananen, Äpfeln und Müsliriegeln. Alles portioniert und geschnitten, man hat also nichts zum einpacken. Dann wird schon der Sieger im Marathon geehrt. 
Kurz darauf erreicht auch Sigrid Eichner das Ziel. Eigentlich hatte ich damit gerechnet, dass sie mich unterwegs überholt, angesichts ihrer zuletzt besseren Ergebnisse, aber vielleicht stecken ihr ja noch die Anstrengungen vom Rennsteiglauf in den Knochen.

Gottfried Schäfers war längst im Ziel und Sieger seiner Altersklasse. Dann kommt auch Dietrich Eberle in Zielnähe.
Auch Günter Heyer hat es gleich geschafft. Ich warte noch ein wenig, um Werner Britz und Lothar Gehrke vor die Linse zu bekommen. Lothar begleitet Werner auf den letzten Metern bei seinem 100. Marathon.
Auch von mir Gratulation.
Alles in allem eine sehr gelungene Premiere auf einer landschaftlich äußerst reizvollen Strecke bei besten Wetterbedingungen. Es hat großen Spaß gemacht.  

 Michael Weber