Meine Zahnoperation am Jahresanfang hat ja zwei Lücken hinterlassen und mein Zahnarzt meint Mitte September, jetzt wäre der richtige Zeitpunkt, die Implantate einzusetzen, man könne dann noch vor Jahresende die Kronen draufsetzen. Nein, ich will das nicht jetzt machen lassen, wenn die Herbstmarathonläufe sind. Ich warte da lieber bis Ende November, antworte ich ihm. Dieser Eingriff sei ganz harmlos, da könne ich schon am nächsten Tag wieder laufen, war seine Reaktion. Da ich ohnehin die beiden folgenden Wochenenden anders verplant habe, ohne laufen, willige ich ein. Am 18.09. erfolgt der Eingriff. Tatsächlich verläuft alles ohne Komplikationen und ich kann sogar am nächsten Tag schon wieder einen einstündigen Trainingslauf machen. Ein paar Tage später kommt dann noch ein Provisorium über diese Baustelle. Doch dann setzen ein paar Tage später Zahnschmerzen ein, die immer heftiger werden. Zunächst entzündet sich der Zahn neben einem Implantat und muss wurzelbehandelt werden. Diese Eingriff wird gar am 3.10., dem Nationalfeiertag durchgeführt, da ich trotz Schmerztabletten die Schmerzen kaum noch aushalten kann. Doch die Schmerzen bleiben. Also wieder zum Zahnarzt und er sieht einen Eiterherd am Implantat. Er muss das Zahnfleisch aufschneiden, um zu sehen, was da los ist und die Diagnose lautet, das Implantat muss erst mal wieder raus. Es braucht ein paar Tage, bis die Wunde soweit verheilt ist, dass er mir wieder grünes Licht gibt für Laufwettbewerbe. So entscheide ich mich ganz kurzfristig für Großbottwar.

Es ist verdammt kalt an diesem Morgen, als ich kurz vor 8 Uhr in Großbottwar ankomme. Die Scheiben der Autos sind zugefroren, Reif liegt auf der Wiese. Das Thermometer in meinem Auto zeigt -0,5°C brrr.
Natürlich muss ich mich nachmelden, dies geschieht oben in der Bottwartal Kellerei. Es ist noch wenig los und so bekomme ich schnell meine Startnummer und das obligatorische T-Shirt. Ein kleines Weinfläschchen ist auch noch dabei. Eine Stunde später hat sich hier schon eine längere Schlange gebildet, wie auch unten, wo die Voranmelder ihre Startunterlagen abholen. Es zahlt sich also aus, frühzeitig da zu sein, aber bei nur 35 km Anreise ist das ja für mich auch kein Problem.

Übrigens entdecke ich in der Menge der Voranmelder eine Jacke mit dem Logo des 100 Marathon Club. Sie gehört Gabriel Schlüter, den ich wenig später im Startbereich treffe. Um 10:00 Uhr erfolgt der erste Start. Jeweils im 5 Minuten Abstand folgen drei weitere Startgruppen. Ich habe also noch etwas Zeit.
Die ersten paar Meter geht es durch die Straßen von Großbottwar und ich laufe mit zwei bekannten Gesichtern aus dem Lauftreff in Stuttgart, die hier beide den Halbmarathon laufen. 
So gibt es einiges zu erzählen und die Zeit vergeht wie im Flug. Über eine halbe Stunde denke ich nicht mal daran, Fotos zu schießen. Die Strecke ist nicht flach. Zwar wird die Höhendifferenz in der Ausschreibung mit 50 Metern angegeben, aber das kann höchstens der Unterschied zwischen tiefstem und höchstem Punkt sein. Immer wieder gibt es kleine Anstiege, für die man dann aber auch mit entsprechenden Bergabpassagen belohnt wird. Aber dieses Auf und Ab summiert sich auf weit mehr als diese 50 Meter.

Verpflegung bei ungefähr km 10 in Gronau. Die junge Läuferin vor mir hat einen passenden Spruch auf ihrem Laufshirt: "It's the distance, not the speed !" ist dort zu lesen. Könnte man in etwa so übersetzen: Nicht die Strecke, das Tempo tötet. 
Wir laufen in Richtung Beilstein und haben einen schönen Ausblick auf die Burg Hohenbeilstein, deren 
Burgfalknerei sehr bekannt ist. Übrigens ist Falknerei eine der ältesten Traditionen, die es in der europäischen Geschichte gibt. Schon im 3. Jahrhundert brachten sie die Mongolen nach Europa.   

Wir erreichen Oberstenfeld bei etwa km 18. Mit dem Motto "Willkommen Daheim" begrüßen uns die verschiedenen Ortschaften im Kreis.
Nach 2:09 erreiche ich die Halbmarathonmarke bei der Bottwartal Kellerei. Anfangs der zweiten Runde geht es zunächst wieder entlang der Straße und durch den Startbogen. Inzwischen ist es wärmer geworden und ich laufe kurz die Böschung hinauf. Dort oben steht mein Auto und so entledige ich mich der Kappe und den Handschuhen und tausche das lange Laufhemd gegen ein Trägerhemd. Kostet zwar rund zwei Minuten, aber das ist es mir wert.
Wir biegen nun aber nicht nach links ab, wie in der ersten Runde. Dort sind wir die Nordschleife gelaufen. Nun geht es auf einen anderen Streckenteil, die Südschleife, die uns zunächst im Zickzack durch die sehr reizvolle Altstadt Großbottwars führt.

Danach laufen wir auf einem Wanderweg nach Kleinbottwar, das wir kurz vor km 25 erreichen. Unmittelbar vor dem Ortseingang kommt mir auf schnellem Schritt Jochen Höschele entgegen, der hier bereits km 39 passiert hat. In der hervorragenden Zeit von netto 2:56:30 wird er Gesamt 13. Ich kann meinen Fotoapparat gar nicht schnell genug schußbereit machen und kann ihn daher leider nur kopflos ablichten. 
In Kleinbottwar sehe ich die erste Läuferin entgegenkommen. Barbara Dieterle ist aber nicht die führende Läuferin. Sie wird in sehr guten netto 3:05:59 2. Frau. Die Siegerin Manuela Zipse hatte ich übersehen. Ihre Siegerzeit: 2:58:04 netto.
Ich erreiche Steinheim an der Murr nach rund zwei weitern Kilometern.
 
Bis hier ist dieser Streckenabschnitt auf dem Rückweg bis km 40,5 nochmal in Gegenrichtung zu laufen.
Ein lecker gedecktes Tischchen steht da am Wegesrand. Ja, wir Läufer dürfen auch zugreifen und ich gönne mir ein kleines Stück leckeren Schokoladenkuchen. Dann geht es entlang dem Waldesrand in Richtung Murr.
Hier laufen wir auf sehr idyllischem Weg vorbei an alten Fachwerkhäusern.
Dann geht es über Feldwege um Murr herum. Auch Staffeln gibt es hier und bei km 30 ist eine der Wechselzonen.

Wir erreichen Murr wieder und haben jetzt rund 32 Kilometer in den Beinen. Noch läuft es bei mir besser, als ich nach den letzten Leidenswochen mit Trainingsausfall erwartet hatte. Es geht vorbei an einem Vorgarten, in den eine Modelleisenbahn integriert ist. Leider aber fahren heute keine Züge.
Nach der nächsten Kurve gleich wieder was für's Auge. Es geht über eine Holzbrücke.
Dann geht es wieder ein Stück durch die Landschaft bis bei km 35 Steinheim wieder erreicht ist.

Ab jetzt sind auch Walker auf der Strecke. So ist es auf den letzten Kilometern nicht so einsam, allerdings muss man auf die Stöcke achten, um bei den jetzt folgenden Überholvorgängen nicht darüber zu stolpern. Nach gut 38 Kilometern erreichen wir wieder den Ortseingang von Kleinbottwar.
Die letzten Kilometer über den Wanderweg fallen mir jetzt schwer und ich komme um kurze Gehpausen nicht herum. Doch dann ist es nicht mehr weit. Bei km 42 steht Gerhard Bracht und scherzt: "Du läufst ja wie ein alter Mann". Er weiß ja nicht, was ich in den letzten Wochen durchgemacht habe. Dann erreiche auch ich das Ziel und bin zufrieden, so wie es gelaufen ist.

Es geht hinunter. Unter der Bottwartal Kellerei wird die reichliche Zielverpflegung ausgegeben. Ok, das Bier ist alkoholfrei, aber gut für mich als Autofahrer und es schmeckt jetzt trotzdem. Man kann übrigens zwei dieser großen Becher zusammenschütten, um einen vollen zu bekommen.

Hier noch kurz die Ergebnisse von Clubmitgliedern, die ich in der Ergebnisliste gefunden habe. Leider habe ich selbst nur Gabriel Schlüter getroffen.

Platz Name, Vorname                  Platz AK, Zeit (Championchip netto)
302.  Schlüter, Gabriel,                  14. M55,  4:02:11
328.  Wicklein, Franz,                    17. M55,  4:06:46
339.  Ulmschneider, Klaus-Peter,  75. M45,  4:08:54  
353.  Hertinger, Bernhard,            51. M50,  4:12:26
419.  Weber, Michael                    60. M50,  4:36:16

Viele Grüße
 Michael Weber